Freitag, 22. Oktober 2010

Gesetzliche Regeln statt Appelle ans Gewissen

(Kommentar zu Edzard Reuter: "Das Gewissen ist verloren" ("Neues Deutschland", 20.10.2010)

Ein ehrenwerter Edzard Reuter! Dennoch: Sein ökonomisches Denken ist (natürlich!) geprägt von seiner Herkunft, Ausbildung und unternehmerischen Vergangenheit. Der „europäische Kapitalismus“ hat nicht dadurch seine „Mäßigung“ verloren, dass ihm die Besinnung auf die „soziale Rücksichtnahme“ des Adam Smith abhandenkam, sondern weil sich die gesellschaftlichen Verhältnisse im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts grundsätzlich änderten.


Die Abkopplung des Geldes vom sachlichen Gold (eine notwendige Folge der einsetzenden Globalisierung und deren Beschleuniger zugleich) veränderte den Mechanismus und die innere Logik des Geld- und Finanzsystem, also auch der gesellschaftlichen Verhältnisse, grundlegend. Sie beseitigte mit dem Edelmetall als Geldware die ökonomischen Bremsen des Systems und ließ Gewissen, Anstand und Moral der einzelnen Akteure zur ökonomisch tödlichen Absurdität werden. Die Konsequenz: Die heutige, mehr und mehr atomisierte Gesellschaft braucht strenge gesetzliche internationale Regeln für den Umgang mit Geld und Finanzwerten aller Art. Dazu bedarf sie allerdings zu allererst eines neuen Bewusstseins vom veränderten Wesen ihrer ökonomischen Verhältnisse. Diese sind nicht mehr jene, die Karl Marx als (kapitalistischen) Austausch von Waren untersuchte, weil das Geld heute weder eine bestimmte sachliche Ware (Edelmetall) selbst noch einen Anspruch auf eine solche darstellt. Es ist Bescheinigung für und damit Anspruch auf gesellschaftliche Arbeit ganz allgemein geworden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen