Sonntag, 20. Mai 2018

Egon Krenz, wie er China sieht


Egon Krenz, wie er China sieht
Von Heerke Hummel

(Erschienen in: "Junge Welt", 11. Juni 2018, gekürzt unter "Eine ernste Partei")

Das öffentliche Interesse war groß, als Egon Krenz sein Buch „China, wie ich es sehe“[i] vorstellte. Der Saal im Berliner Karl-Liebknecht-Haus war überfüllt. Was hat gerade dieser Mann heute über dieses umstrittene Land und seine von Vielen nicht weniger beargwöhnte Kommunistische Partei zu sagen? Um es gleich vorweg zu nehmen: Er bewundert China und seine Führung. Kein Wunder, werden jene sagen, die in ihm noch immer den Hardliner in der SED-Führung und Verantwortlichen für „Schießbefehle“ sehen, der nicht zu Kreuze kriechen und sich Asche aufs Haupt streuen wollte. Erstaunlich werden es vielleicht jene finden, die meinen, die DDR würde es noch geben, wäre dieser Staat nicht von reformunwilligen Betonköpfen geführt worden.
Krenz‘ Buch könnte den einen oder anderen vielleicht etwas nachdenklich machen. Der Autor beginnt mit Betrachtungen zum Anlass seiner China-Reise im Herbst vergangenen Jahres – einer Einladung zu einer Konferenz der Akademie für Gesellschaftswissenschaften der VR China zum 100. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Da werden das politische Fundament und der gesellschaftliche Rahmen des chinesischen Aufschwungs beschrieben und die bedeutenden wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Erfolge, insbesondere bei der Bekämpfung von Hunger und Armut, beleuchtet. Doch es wird auch gezeigt, vor welchen Herausforderungen ökonomischer, ökologischer und politischer Art das Land noch steht. Aber der optimistische Grundgedanke, der die ganze Schrift durchzieht, ist eine Weiterentwicklung und Erneuerung des Marxismus im 21. Jahrhundert durch die chinesische Führung. Die Grundlage dafür, so Krenz, wurde schon vor hundert Jahren durch Lenin gelegt, auf den sich auch die heutige chinesische Führung noch beruft.