Dienstag, 11. März 2014

Nichts ist Nichts, auch nicht das Geld. Anmerkungen zu Ulrich Buschs Verständnis vom Geld

von Heerke Hummel

Im Blättchen, Ausgabe 2/2014, hat Ulrich Busch über das Geld in der heutigen Gesellschaft geschrieben („Geld: NICHTS, geschöpft aus NICHTS“). Um die „Natur“ des Geldes zu beleuchten, beruft er sich auf Karl Marx. Für den sei „Geld ein ‚gesellschaftliches Verhältnis‘, das sich in Form eines ‚Dings‘ kristallisiert, also ein ‚unter dinglicher Hülle verstecktes Verhältnis‘“. Löse man diese Begriffsbestimmung auf, so stellten sich zwei Fragen: die nach dem Charakter der „Verhältnisse“ und die nach der Beschaffenheit des „Dings“, worin sich die Verhältnisse kristallisierten.
Die Antwort auf die erste Frage verweise auf Warenproduktion, Arbeitsteilung und Privateigentum – und damit auf relativ allgemeingültige Aspekte der gesellschaftlichen Produktion. Folglich komme Geld in den unterschiedlichsten Produktionsweisen vor. Die zweite Frage dagegen sei problematisch. Busch: „Marx selbst beantwortete sie mit einem Diktum, wonach Geld von Natur aus ‚Gold und Silber‘ sei und selbst in entwickelter Gestalt, als Kreditgeld, ‚der Natur der Sache nach‘ nie von seiner metallenen Unterlage loskommen kann. Diese Aussage gilt, wie das ganze Marxsche System, selbstredend nicht außerhalb von Zeit und Raum, sondern, wofür sie formuliert wurde, für den klassischen Kapitalismus in Europa und Nordamerika und für die Zeit des Goldstandards.
Mit der Demonetisierung des Goldes aber, welche genau vor 100 Jahren 1914 begann und mit der Aufhebung der Bindung des US-Dollars an das Gold 1971 endete, büßte sie ihre Gültigkeit ein. Der Wert des Geldes hängt seitdem nicht mehr vom Gold ab, und das Gold zählt seitdem nicht mehr als Geld.“
Dem ist im Wesentlichen zuzustimmen. Aber das bedeutet doch zugleich, in Bezug auf Buschs erste Frage, dass wir es mit ganz neuen gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun haben, die nicht mehr durch private Warenproduktion und Geld im ursprünglichen, Marxschen Sinne gekennzeichnet sind, sondern durch ein neuartiges, staatlich über die Zentralbank garantiertes Vertrauensverhältnis nur noch so genannter „privater“ Produzenten! Zu dieser Schlussfolgerung ist Busch nicht gekommen. Er fährt vielmehr fort: „Folglich ist das umlaufende bare und unbare Geld auch kein Stellvertreter des Goldes mehr, wie Marx es noch sah und wie es für das 19. Jahrhundert tatsächlich zutraf, sondern selbst Geld. Aber worin besteht jetzt seine Substanz, sein Wert?“
Abgesehen von der eigenartigen Feststellung, Geld sei durch die Aufhebung des Goldstandards selbst Geld geworden; einleitend hatte Busch ja noch nach des Geldes Wesen und Begriff als der „Grundfrage all dieser Vorgänge und komplizierten Verknüpfungen“ im Finanzsystem gefragt. Hier wäre nun zu zeigen gewesen, dass sich das Wesen des Geldes gründlich verändert hat: Aus einem „allgemeinen Äquivalent“, einer „allgemeinen Ware“ (Begriffe bei Marx) ist ein Arbeitszertifikat geworden.1 Für Busch dagegen ist „Geld […] selbst Geld“ geworden, und er fragt anstatt nach dessen Wesen nach seiner „Substanz“. Diese sei ein „Nichts“, und „die knappheitstheoretisch fundierte keynesianische Theorie“ erlaube, „das Geld als ‚Nicht-Gut‘ zu begreifen“. Müsste die Frage nicht lauten: Was hat dieses neue, vom Gold völlig unabhängige Geld nun, im einundzwanzigsten Jahrhundert, mit der Arbeit als dem Wert bildenden Element der gesellschaftlichen Produktion zu tun?