Mittwoch, 11. November 2015

Flüchtlinge retten! Nicht nur den Euro!



Von Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“ Nr. 23/2015; www.das-blaettchen.de)


Ein unabsehbarer Flüchtlingsstrom drängt nach Europa, vor allem in sein Zentrum Deutschland. Angesichts des Streits, wie man dem Problem beikommen, den Flüchtlingen helfen und ihre Aufnahme in geordnete Bahnen lenken kann, sprach der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras kürzlich vor dem Parlament von einer beschämenden Situation. Und die deutsche Bundeskanzlerin beklagt - nach ihrem Ja zu dem Griechenlands Volk gerade aufgezwungenen, desaströsen Spardiktat - mangelnde Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Bezug auf die Flüchtlingsfrage!

Kann man europäische Solidarität in der Flüchtlingsfrage unter den heutigen systemischen Bedingungen in der EU aber wirklich erwarten? Wohl kaum, angesichts der gravierenden Ungleichgewichte und Widersprüche! Deutschland als Exportweltmeister hat im ökonomischen Wettbewerb seine europäischen Partner an die Wand gespielt, an den Krisen der letzten Jahre auf Kosten der anderen gewonnen, mit seinen Rüstungsexporten gut verdient und sich auch für die Flüchtlingsströme mitverantwortlich gemacht. Zum bevorzugten Ziel der Flüchtenden ist Deutschland durch deutsche Wirtschaftspolitik geworden.

Dienstag, 3. November 2015

Offener Brief



                                                                                                    30. Oktober  2015

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin!

Ihre standhafte Haltung in der Flüchtlingsfrage verdient große Anerkennung und Unterstützung, zumal die Widerstände in Deutschland zuzunehmen scheinen und die europäische Solidarität auf sehr schwachen Füßen steht. Angesichts der ungeheuren Herausforderung, vor der Europa und insbesondere Deutschland stehen, drängt es mich, Sie in der gebotenen Kürze auf einen möglichen Lösungsansatz für die Krise hinzuweisen, der von der Bedeutung der Europäischen Zentralbank ausgeht. Von dieser Institution war im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsproblem noch nichts zu hören. Und ich möchte feststellen:

Wer den Euro retten konnte muss auch Millionen Flüchtlinge retten!

Samstag, 31. Oktober 2015

Deutschland, Deutschland über alles?



Von Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“, Nr. 22/2915 - http://das-blaettchen.de/2015/10/deutschland-ueber-alles-34259.html)
Wer glaubt, das Thema „Griechenland“ sei mit dem Ausgang der dortigen Septemberwahl vom Tisch, dürfte sich schon bald über seine Kurzsichtigkeit Gedanken machen. Denn solange das von der EU unter Federführung Deutschlands verhängte Spardiktat aufrecht erhalten wird, kann dieses Land, kann Europa nicht zur Ruhe kommen. Das ist die Quintessenz aus einem Taschenbuch, das seit kurzem in deutscher Übersetzung vorliegt und dessen Autoren Yanis Varoufakis, Stuart Holland und James K. Galbraith sind. Sein Titel: „Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise“.[i] 

Dienstag, 15. September 2015

Gratulation, Herr Varoufakis!



Von Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“ – www.das-blaettchen.de - Nr.19/2015)

Mit einem Buch hat Yanis Varoufakis, bei Europas Konservativen als kurzzeitiger Skandal-Finanzminister Griechenlands verschrien, bereits 2013 versucht, der Welt klarzumachen, warum es an der Zeit ist, einen Wandel im ökonomischen Denken sowie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik einzuleiten. Verbal ist ihm das im Kreis seiner EU-Ministerkollegen während der diesjährigen Brüsseler Verhandlungen zur Lösung der griechischen Schuldenfrage dennoch nicht gelungen. Nun ist die deutsche Übersetzung seines Werks erschienen.[i]

Nur Beruhigungspillen?



Von Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“ – www.das-blaettchen.de - Nr.18/2015)
Es heißt, Europa erlebe derzeit einen Flüchtlingsstrom wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Krieg und Verfolgung treiben ihn an, und viele wollen unerträglicher Armut entfliehen. Da mag am Horizont ein Fünkchen Hoffnung auf eine Lösung des Problems aufleuchten. Leon Schreiber hat es mit einem Essay gesendet, der ihm bei einem Wettbewerb des St. Gallen Symposiums den 2. Platz sicherte und im Londoner „Guardian“ veröffentlicht wurde. Darin wird aus verschiedenen Entwicklungs- und Schwellenländern in aller Welt über Initiativen und Pilotprojekte berichtet, bei denen es um die Zahlung eines Grundeinkommens für die Ärmsten der Armen geht. Von zehn US-Dollar pro Monat und Familienmitglied ist da die Rede, mit denen es etlichen Empfängern gelungen sein soll, dank solcher Absicherung mit Kleinst-„Investitionen“ unternehmerisch aktiv zu werden.

Montag, 22. Juni 2015

Illusionen und Hoffnungen sterben zuletzt



Von Heerke Hummel
(Erschienen in; „Das Blättchen“, Heft 13/2015 – www.das-blaettchen.de)
Die Welt ist in Unordnung wie selten vorher, vielleicht wie nie zuvor. Und der Mensch ist das Problem. Seit hundert Jahren befindet sich die menschliche Gesellschaft in einer Dauerkrise und auf der Suche nach Lösungen für die Widersprüche, in die sie verstrickt ist. Dieser Zeitabschnitt wurde einst von den Ideologen des Ostens optimistisch als Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus bezeichnet. Doch vor einem Vierteljahrhundert ging dieser Optimismus vieler Millionen ganz plötzlich verloren. Waren es Illusionen gewesen? Mit den Reformen des Ostens – allgemein als Untergang des Realsozialismus betrachtet – war die Welt ohne das Freund-Feind-Bild orientierungslos geworden, und Pessimismus überzog den Erdball angesichts nicht nur atomarer Gefahren und gesellschaftlicher Katastrophen, sondern auch und vor allem eines drohenden ökologischen Desasters unseres Planeten. Und nur allmählich wird die theoretische Schockstarre überwunden, entwickelt sich wieder analytisches Nachdenken über die Situation, in der sich die Welt befindet, und über Wege zur Wiederherstellung von Gleichgewichten in der Gesellschaft, in ihrer Ökonomie sowie zwischen Mensch und Natur ganz allgemein. Jüngstes Beispiel dafür ist ein Buch von Raul Zelik und Elmar Altvater. Mehrere Wochen führten die beiden einen Dialog „über Mythen des Kapitalismus und die kommende Gesellschaft“, der bereits 2009 veröffentlicht wurde. Nun, 2015, hat man ihn aktualisiert und, durch einen Abschnitt ergänzt beziehungsweise abgerundet, unter dem Titel „Vermessung der Utopie“ erneut als Taschenbuch herausgegeben.[i]
Den Autoren geht es darum, Wege zu finden hin zu einer emanzipierten Gesellschaft. Und sie meinen, die gescheiterten Emanzipationsversuche in der Geschichte der Menschheit hätten gezeigt, wie es nicht geht. Nun werde eine Reflexion über utopische Entwürfe gebraucht, es müsse beantwortet werden können, inwieweit diese Entwürfe einigermaßen realistischen sind. Ob sie tauglich sind, sei daran zu messen, „ob sie den Menschen ein gutes Leben ermöglichen – in ökologischer, sozialer, politischer Hinsicht. Ob sie ermöglichen, die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen, die Natur zu bewahren – aber auch, ob sie zu einer herrschaftsfreien Welt führen, in der die Menschen ihr Leben, auch ihr Arbeitsleben, selbst gestalten können und nicht nur Untertanen sind.“ Eine so formulierte Aufgabe gleicht dem Ei des Kolumbus. Vermochten die Autoren sie zu lösen?

Anmerkung



Zu Ulrich Buschs Artikel „Bargeldose Geldwirtschaft“ („Blättchen“, Heft 12/2015 - http://das-blaettchen.de/2015/06/bargeldlose-geldwirtschaft-33085.html)
Wer bereit ist anzuerkennen, dass das Geld im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts zu nichts weiter als einer Information über „für die Gesellschaft verausgabte Arbeit“ beziehungsweise über entsprechenden Anspruch darauf im Rahmen einer – wie auch immer gearteten – gesellschaftlichen Buch- und Rechnungsführung über Soll und Haben geworden ist, wird Ulrich Buschs Feststellungen über eine bargeldlose Geldwirtschaft akzeptieren können und die im Forum des „Blättchens“ geäußerten Bedenken vor einer solchen Zukunft nicht teilen.

Samstag, 7. März 2015

Modell Europa?



Von Heerke Hummel


(Erschienen : „Das Blättchen“, Sonderausgabe | 20. April 2015, http://das-blaettchen.de/18-jahrgang-2015/sonderausgabe-3-2015.html)

Im Streit darüber, wie die griechische Schuldenkrise zu überwinden ist, spielt Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht der Europäischen Union eine tonangebende Rolle. Und in dem Streben , für den Schuldenabbau ihren Sparkurs nicht nur den Griechen, sondern allen EU-Ländern aufzuzwingen, können sich die derzeit kursbestimmenden Kräfte dieses Landes – offensichtlich noch mit Gelingen – auf die bisherigen deutschen Wachstumserfolge berufen. Jedenfalls konnte nach dem Wahlsieg  der SYRIZA vom 25. Januar die antigriechische Front in der EU bisher gehalten werden. Dennoch: Die Protestbewegung im Süden und Westen der EU gegen die von der BRD verordnete Politik des unsozialen Sparens dürfte in den nächsten Monaten weiter an Umfang und Kraft gewinnen. Bereits 2013 veröffentlichte der Franzose Guillaume Duval ein Buch, dessen deutsche Übersetzung im vorigen Jahr unter dem Titel „Modell Deutschland? Nein Danke!“ erschien.  Duval, Chefredakteur der Monatszeitschrift „Alternatives Économiques“, arbeitete mehrere Jahre in der deutschen Industrie, kann also als guter Kenner auch der hiesigen Verhältnisse angesehen werden. Seine Analyse aus französischer Perspektive macht das Buch für deutsche Leser besonders interessant. Denn der Autor hat nicht gegen die Deutschen geschrieben. Im Gegenteil! Er würdigt unsere Leistungen und wirtschaftlichen Erfolge und analysiert mit einem wirtschaftsgeschichtlichen Rückblick deren tatsächliche Ursachen, die wohl jenen nicht bewusst sind, die herablassend ganz Europa das Schrödersche Sparmodell der Agenda 2010 aufzwängen möchten. Sein Resümee: „Die deutsche Industrie ist nicht besser über die Krise hinweggekommen als die französische, weil Gerhard Schröder die Ausbreitung von Armut merkbar gefördert und aus Deutschland ein Land gemacht hat, in dem die Ungleichheit noch größer ist als in Frankreich. Die wahren Ursachen dieses Erfolgs und die nachahmenswerten Elemente des deutschen Modells liegen eher im Bereich der Mitbestimmung und der stärkeren Beteiligung der Beschäftigten an Unternehmensentscheidungen, in einem weniger autoritären und hierarchischen Management, in einer höheren gesellschaftlichen Wertschätzung der Industriearbeit, in einer größeren sozialen Mobilität, darin, dass das Land ohne die französischen Eliteschulen auskommt und in seinem Bildungssystem nicht nur auf permanenten Wettbewerb und Selektion setzt, und letztendlich in einer ausgeglicheneren föderalen Struktur …“

Montag, 2. Februar 2015

Die griechische ist Europas Krise



Von Heerke Hummel



 
Gespannt blickt Europa wieder einmal fragend nach Griechenland: Was wird nach den dortigen Wahlen vom 25. Januar geschehen? Die Ungewissheit der Zukunft dürfte - folgt man einer Analyse von Andreas Oppacher[i] - so groß nicht sein. Oppacher untersucht die „wahren Ursachen der europäischen Wirtschaftskrise“, und Griechenland wird darin viel Aufmerksamkeit gewidmet; zumindest was den ersten Abschnitt, „Europas Krise verstehen“, betrifft. Darin weist der Autor nach, dass Europas Krise keine Staatsschuldenkrise ist, sondern eine Außenhandels-Schuldenkrise. Die Staatsschulden sind nicht die Ursache, sondern die Folge der allgemeinen Krise Europas, die aus den ökonomischen Ungleichgewichten in der Europäischen Union und besonders der Euro-Zone herrührt. Maßgeblich haben dazu die unterschiedlichen Strategien der EU-Staaten in der Lohnpolitik beigetragen. Und Oppacher zeigt, welchen Einfluss dies auf die Preise, auf die Exportchancen und auf die Außenhandelsbilanzen hatte. Schon hier wird deutlich, dass die gemeinsame europäischer Währung einer koordinierten Wirtschaftspolitik, darunter vor allem auch einer abgestimmten Lohnpolitik, bedarf. Also wären die griechischen Probleme doch hausgemacht, weil man über seine Verhältnisse lebte, wie in unseren Medien so häufig zu hören ist? Oppacher: „Was in Deutschland immer noch nicht begriffen wurde: Der Außenhandel in einer Währungsunion funktioniert auf Dauer nur als Miteinander.“ Jedes Land müsse seine Chance bekommen, genügend Güter exportieren zu können. Andernfalls könne es sich irgendwann selbst keine Importe mehr leisten und scheide aus, erst als Handelspartner und dann als Mitglied der Union.
Und was tat Deutschland?

Wer's glaubt wird selig?


Von Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“ – www.das-blaettchen.de - , Nr. 01/2015)

Gerade haben sie wieder den Lichterglanz der Vorweihnachtszeit bestaunt, aber das Fest nicht gefeiert, obwohl sie doch an Jesus Christus glauben – die Zeugen Jehovas. Misha Anouk erinnert sich an seine Kindheit und Jugend: „Alle feierten Weihnachten. Nur wir nicht. Na ja, wir und die anderen Zeugen Jehovas. Man fand die Weihnachtsdeko schön, schmückte aber das eigene Haus nicht. Man betrachtete die Spielsachen im Laden und wusste, dass sie in allen Kinderzimmern außer dem eigenen landen würden. Und in der Schule stand man stumm und einsam inmitten der Weihnachtslieder singenden Klassenkameraden und fühlte sich wie der letzte Vollidiot. Ja, Weihnachten war die ambivalenteste Zeit des Jahres.“ In seinem Buch „Goodbye, Jehova!“ schildert der in diese Glaubensgemeinschaft Hineingeborene sein Leben in einem religiös besonders engagierten Elternhaus bis zu seinem Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft und aus der Familie.