Sonntag, 22. Oktober 1989

Bäume, die in Träumen wachsen

Am 19. Januar 1989 dem „Eulenspiegel" angeboten

Also een Wetta is det wieda mal! Und inne Zeitung schreiben se wat von Zwischenhoch und heiter bis wolkich. Wenn ick da so außn Fensta kieke, möchte ick ja fast trübsinnig werden! Aber war Jutet hat et eben ooch, saacht meene Frieda: Man kann so herrlich auspennen. Und for de Landwirtschaft soll et ja ebenfalls jut sinn. Muss ne Bombenernte werden. Also bei de Kiefa hier vor meen Fensta kann ick reneweg zukieken, wie et da wachsen dut.

Apropos wachsen: Kommt doch meen Bengel neulich auße Schule und flennt. N Uffsatz ham se uffjekriegt. Er weeß nich, watta schreiben soll. Thema: „Det Leistungswachstum in unsre Republik zum Wohle des Menschen“. „…und zu Ehren des 40. Jahrestachs“, hab ick erjänzt. Na, det möchte ja wohl sinn, nich wahr. Soviel hab ick doch nun schon dem Studium von unsre Presse entnommen. Ick weeß, woruff et ankommt in die ideologische Arbeet. Und is denn een Uffsatz etwa nich ooch n Fantasieprodukt wie det, wat hier inne Zeitung steht? Jedenfalls kann meen Filius nich frühjenuch lernen, de Akzente richtich zu setzen!

Reale Utopie und utopische Realität

Eine der Hauptursachen für die ungenügende ökonomische Leistungsentwicklung der sozialistischen Staaten in der Vergangenheit dürfte darin liegen, dass mit der Gestaltung und Abrechnung des gesamtgesellschaftlichen (nationalen) Reproduktionsprozesses als planmäßiger Austauschprozeß zwischen sozialistischen Warenproduzenten die sozialistische Gesellsohaft über kein hinreichend exaktes ökonomisches Instrumentarium verfügt, um den gesellschaftlichen Arbeitsaufwand zu erfassen, das gesellschaftliche Arbeitsvermögen ökonomisch effektiv einzusetzen und die Produzenten dementsprechend zu stimulieren.

Was kann unser Geld?



1989: Kritik der nach dem Mauerfall  wie Pilze aus dem Boden schießenden Reformvorschläge, die Wirtschaft der DDR "wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen".

Geld soll im Zuge der Wirtschaftsreform nun wieder (oder erstmals) den Stellenwert einnehmen, der ihm zukommen muß, damit eine sozialistische Volkswirtschaft gut funktioniert, effektiv arbeitet, das Leistungsvermögen der Gesellschaft vollständig mobilisiert. In der Vergangenheit kam es zur Unterbewertung des Kosten-Nutzen-Denkens. Damit verbunden war, dass die Banken nicht genügend aktiv waren bei der Gestaltung der ökonomischen Prozesse in unserem wie auch in den anderen sozialistischen Ländern. Professor Tannert beschrieb das ausführlich im „horizont“ (Nr. 12/89). Und er stellte dort fest, dass diese Seite sozialistischen Wirtschaftens, nämlich das Geldwesen, am wenigsten beherrscht wird. Schlussfolgerung: Formierung neuer Bankstrukturen, Einführung eines zweistufigen anstelle eines einstufigen Banksystems durch Trennung von Emissions- und Geschäftsfunktion. Bei der Staatsbank der DDR will man gleich, so die Abteilungsleiter Edgar Most (49) und Dr. Friedhelm Tuttlies (59) in der „NBI“ (Nr. 50/89), „die Wirtschaft wieder vom Kopf auf die Füße stellen“ und „Schluß mit einer Überzentralisierten Kommandowirtschaft“ machen, „in der die Leitung der materiellen Prozesse dominierte und das Geld eine sekundäre Rolle spielte.“

Steuerung über Finanzen? 
Da nimmt nun die Gefahr reale Gestalt an, dass wir von einem Extrem ins andere fallen.