Donnerstag, 25. September 2014

Wiedererwachen der Vernunft?



Von Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“, Nr. 16/2014 (www.das-blaettchen.de)

Was sich in den letzten Jahrzehnten im Weltfinanzsystem tat, war der helle Wahnsinn. Dem lag das ökonomische Theoriegebäude des Neoliberalismus zu Grunde, wesentlich geprägt durch immer neue Gleichgewichts- und Wachstumsmodelle, dekoriert sogar mit Nobelpreisen. Der Ausbruch der Finanzkrise 2008 versetzte die Zunft der Ökonomen in Schockstarre. Dann kamen Buchveröffentlichungen mit heftigen Anklagen gegen die Theoretiker und ihr Gefolge in der Praxis des Finanzwesens auf den Markt. Archäologen bemühten sich um Erklärungen für die Ursachen mit Rückblicken auf das uralte Problem der Schulden. Nun hat sich der Engländer Felix Martin mit einem theoriegeschichtlichen Rückblick[i], wenn man das so nennen kann, zu Wort gemeldet, um festzustellen, dass die heute allgemein verbreitete und auf den britischen Ökonomen Adam Smith sowie den Philosophen John Locke zurückgehende Vorstellung vom Geld als einer Sache und Ware dem historischen Prozess seiner Entstehung und Entwicklung nicht gerecht wird. Dies wurde schon desöfteren Karl Marx in Bezug auf seine Darstellung der Entwicklung der Wertformen bis zur Geldform des Warenwertes vorgeworfen. Dazu sei hier nur kurz bemerkt, dass neuere archäologische Erkenntnisse, zum Beispiel aus dem alten Babylon und dessen Herausbildung einer Schrift und ökonomischen Buchhaltung, worauf sich F. Martin wesentlich stützt, Marx nicht zur Verfügung standen. Außerdem tut es dessen Darstellung gar keinen Abbruch, denn diese vermittelt uns die Logik eines Prozesses, der sich offenbar über Jahrtausende im ökonomischen Bewusstsein der Menschen vollzog  und den der Mann aus Trier bewusst mit dem Ziel analysierte, die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Warenproduktion aufzudecken. Dem Briten geht es nur um das Verständnis vom Wesen des Geldes.