Donnerstag, 14. November 2002

Marx' "Kapital" von der Geschichte überholt

Im November 2002 diskutierten Leser im "Neuen Deutschland" zum Thema "Lenin und die russische Revolution", wobei von Kurt Neumann aus Neubrandenburg mit der ironischen Bemerkung gekontert wurde: "Über ´Das Kapital´ und andere Werke scheint danach die Geschichte hinweggegangen zu sein." (ND,14.11.02)

Wenigstens über „Das Kapital“ offensichtlich wohl doch, so zutreffend seine Analyse zur damaligen Zeit auch war. Denn Marx analysiert darin die bürgerliche Gesellschaft als eine Gesellschaft von Warenproduzenten. Er untersucht zunächst den einfachen Warenaustausch Ware-Geld-Ware und weist schon am Anfang darauf hin, dass das Verständnis der einfachen Wertform, also die Darstellung des Wertes der einen Ware im Gebrauchswert der anderen Ware die Voraussetzung für das Verständnis aller Wertformen ist. Er betrachtete dies also als einen Grundpfeiler seiner ganzen ökonomischen Theorie. Marx geht davon aus, daß das Geld als geprägtes Edelmetall selber Wert besitzt, weil und insofern in ihm gesellschaftlich notwendige Arbeit vergegenständlicht ist. Es ist also wie alle anderen Tauschobjekte eine Ware mit Wert und Gebrauchswert.

Die Ablösung des Edelmetall- durch das Papiergeld als Folge der mit zunehmendem Waren- und Geldverkehr einhergehenden Münzverschlechterung (Verschleiß) hat Marx selber noch erlebt und theoretisch beleuchtet und dabei auf dessen (des Papiergeldes) möglichen eigenen Wertverlust durch steigende Warenpreise aufmerksam gemacht für den Fall, dass mehr Papiergeld in Umlauf gebracht wird als Goldgeld zur Vermittlung der Austauschbeziehungen von Waren zirkulieren würde. Allerdings war das für ihn noch die Ausnahme. Die allmähliche Ablösung des Metallgeldes durch „Staatspapiergeld mit Zwangskurs“ (Marx) berührte deshalb nicht seine Theorie der kapitalistischen Warenproduktion, denn bei ihm ist noch das Papiergeld Goldzeichen oder Geldzeichen, und „sein Verhältnis zu den Warenwerten besteht ... darin, dass sie ideell in denselben Goldquantis ausgedrückt sind, welche vom Papier symbolisch sinnlich dargestellt werden. Nur sofern das Papiergeld Goldquanta repräsentiert, die, wie alle andren Warenquanta, auch Wertquanta, ist es Wertzeichen.“

Zu Beginn und im Verlaufe des 20. Jahrhunderts ging dieser Bezug des Papiergeldes auf das Edelmetall mehr und mehr verloren.