Donnerstag, 31. März 2016

Eu zwischen Markt und Plan?



Von Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“, Nr. 7/2016 - http://das-blaettchen.de/2016/03/eu-zwischen-markt-und-plan-35633.html)
Mario Draghi versetzte die Finanzwelt Deutschlands in helle Aufregung, als die von ihm geleitete Europäische Zentralbank drei Tage vor dem deutschen Superwahltag den Leitzins erstmals auf null Prozent senkte, um das Wirtschaftswachstum in Europa mit zinslosen Krediten weiter zu stimulieren und so vor allem den finanzschwachen Staaten unter die Arme zu greifen. Bei Neuverschuldung bleiben denen dadurch  Zinsen von bis zu acht Prozent erspart. Außerdem wurde in der Frankfurter EZB-Zentrale beschlossen, das Anleihenkaufprogramm um ein Drittel auszuweiten (bisher wurden dafür seit 2012 insgesamt 1,14 Billionen Euro eingesetzt). Zudem sollen die Banken mit höheren Strafzinsen für geparkte Gelder belastet werden. Sogar Unternehmensanleihen will die EZB künftig aufkaufen. Nach Ansicht einer fast geschlossenen Ökonomenzunft hierzulande  ist das alles töricht.

Dienstag, 1. März 2016

Alles nur Geschichte?





Alles nur Geschichte?
Von Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“, Nr. 5/2016)

Klaus Behlings Buch „Die Treuhand“ erschien pünktlich zum 25. Jahrestag der deutschen Einheit. Der Autor beschreibt darin – so auch der von ihm gewählte Untertitel -, „wie eine Behörde ein ganzes Land abschaffte“. Das klingt nach Geschichte. Ist es auch, aber bei weitem nicht nur! Denn Klaus Behling ist es gelungen, eine fundierte, umfangreiche politisch-ökonomische Analyse des Transformationsprozesses zu erarbeiten, mit dem die zentralistisch geleitete Wirtschaft der einstigen DDR dem marktwirtschaftlichen System der Alt-BRD angepasst und angegliedert wurde. Er schrieb die Geschichte einer Institution, deren Wirken zu den am meisten umstrittenen Themen der Wiedervereinigung Deutschlands gehörte, welche politisch mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 vollzogen wurde, sich ökonomisch aber bis in die Gegenwart hingezogen hat und als „Kapitel Treuhand“ nach Aussagen des Bundesfinanzministeriums, so K. Behling, erst „2020/21 endgültig abgehakt sein“ wird. Dabei bringt er so hoch brisante Erscheinungen der Gegenwart wie die Pegida-Demonstrationen in Dresden mit der Art und Weise in Verbindung, in der die Treuhand ihre Aufgabe wahrnahm. Der frühere DDR-Diplomat und vielfache Buchautor hat geleistet, was von Regierungsseite „geradezu für schädlich“ gehalten wurde, nämlich „die sensiblen Ermittlungen öffentlich bekannt zu machen und zu diskutieren.“ So lautete nämlich schon 1999 die Antwort im Deutschen Bundestag auf die Frage: „Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit, in einem öffentlichen Forum die Aufarbeitung des Verbleibs des DDR-Vermögens fortzusetzen?“
Behling vermochte es, in seinem Buch sehr detailliert, realistisch und ausgewogen „die Mühen des ‚Weges ins Wirtschaftswunderland‘ zu betrachten.“  Und er resümiert: „Wunschgemäß ‚nahm uns Helmut an die Hand‘, den Weg wählten die Ostdeutschen selbst. (Sie taten es im März 1990 mit den Wahlen zur Volkskammer der DDR. – H. H.) Es war der des Wechsels in eine andere Gesellschaftsordnung. So etwas ging bislang nur mit Blut und Trümmern, dieses Mal ersetzen Tränen das Blut.“ Das provoziere die Frage, ob die Treuhand alles genau so tun musste, wie sie es tat. Und K. B. meint, es gebe sicherlich immer verschiedene Wege, um ein Ziel zu erreichen. Viele Spielräume für die wirtschaftliche Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten habe es aber nicht gegeben. Beide Partner wünschten, dass es schnell gehen möge. Im Osten sei dieser Wunsch demokratisch legitimiert gewesen, im Westen ein über vierzig Jahre lang akzeptierter Auftrag des Grundgesetzes. Den Transformationsprozess zu verzögern, als sich eine realistische Chance dafür bot, wäre demnach undemokratisch und gesetzeswidrig gewesen. Die Teilung war die aus den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges gewachsene Besonderheit Deutschlands. Mit dem Weitblick eines ehemaligen Mitarbeiters am "Institut für Internationale Beziehungen" in Potsdam bis zum Ende der DDR schätzt Behling ein: „Auch wenn damals nicht viel darüber diskutiert wurde: Politisch ging es um den endgültigen Schlussstrich unter die über vierzig Jahre lange Nachkriegszeit. Sie begann mit dem ‚Wettlauf der Systeme‘ und mündete in den ‚Kalten Krieg‘. Nun hatte ihn die eine Seite gewonnen, die andere verloren. Für den Bereich der Wirtschaft hieß das, die Marktwirtschaft besiegte die Planwirtschaft. Diesen Sieg in die Praxis zu übertragen, war die Aufgabe der Treuhandanstalt.“
Neben vielen Anderen aus Ost und West lässt Behling auch Gerhard Schürer zu Wort kommen, der seine Arbeit als Planungschef an der Spitze der DDR-Wirtschaft im Nachhinein sehr selbstkritisch eingeschätzt hat. Er hatte, so Behling, nicht die Kraft, eine Wirtschaftsreform anzuschieben, weil seine Partei, die SED, nicht reformfähig war. Es sei um die Macht gegangen. Diese wurde „nicht demokratisch errungen, sondern mit dem ‚Primat der Politik‘ über die Wirtschaft ‚gesichert‘. Diese Grundlage des Verständnisses einer ‚sozialistischen‘ Entwicklung schuf eine ökonomische Struktur der DDR, die letztlich zum Verlust der Macht führte.“