Freitag, 29. November 2013

Wohin mit dem vielen Geld?


Wohin mit dem vielen Geld?
Von Heerke Hummel
(Erschienen in:“Das Blättchen“, Nr. 24/2013)
Dieser Frage ging der Finanzexperte Dr. Martin Hüfner, langjähriger Chefvolkswirt bedeutender Banken, kürzlich im Gespräch mit Anja Kohl bei „Börse vor acht“ im ARD-Fernsehen nach. Anlass war der Höhenflug des Deutschen Aktienindex‘ über die Neuntausendpunktegrenze hinaus.

Donnerstag, 7. November 2013

Suchtkranke




Von Heerke Hummel

Ein neues Buch[i] zu dieser Thematik ist gerade auf den Markt gekommen. Nichts Neues? Kennen wir zur Genüge, sehen wir täglich auf der Straße, hören wir im Freundeskreis, erleben wir vielleicht sogar in der Familie? Nein, denn Katrin Sobotha-Heidelk  ist eine spannende Synthese von Information, Aufklärung, vielleicht auch Hilfe gelungen.

Dienstag, 5. November 2013

Eine deutsche Geschichte?



Heerke Hummel

Der Herbst lädt noch einmal zum Wandern ein. Vielleicht in Thüringen?  Wen’s dorthin zieht, dem sei empfohlen, die Heidecksburg in Rudolstadt nicht links liegenzulassen. Denn er würde eine Attraktion ganz besonderer Art verpassen: Eine Ausstellung, die schon in zahlreichen Orten Deutschlands zu sehen war und in dem passenden Ambiente der Burg ihren festen Platz gefunden hat: Rococo en miniature – Die Schlösser der gepriesenen Insel.
Mit unglaublicher Präzision erschufen zwei Künstler der DDR, von denen der eine 1986 „ausgebürgert“ wurde,  im Verlaufe von fünfzig Jahren eine Wunderwelt von Miniaturbauten mit detailreichem Innenleben im Maßstab 1:50. In minutiöser Kleinarbeit entstanden fünf Schlösser sowie Tausende von Einzelfiguren und reich verzierte Einrichtungsgegenstände. Es sind freie Erfindungen zweier Männer, die sich Anfang der neunzehnhundertfünfziger Jahre in der Ausbildung als Gebrauchswerber in Sonneberg kennenlernten. Aus anfänglichem heimlichen Spiel während des Unterrichts wurde ein mit sehr viel Fleiß und Ernsthaftigkeit gepflegtes Hobby in einer Nische der Gesellschaft, in die sich Gerhard Bätz und Manfred Kiedorf  mehr und mehr zurückzogen. Darin schufen sie sich – wie so viele Bürger – ein Paradies, das sie in der Wirklichkeit des Staates, in dem sie lebten, nicht zu sehen vermochten.
Oder sollte es vielleicht gar nicht ihr Paradies sein, sondern (auch) eine Kritik an dem Staat, der ins kommunistische Paradies führen wollte? Man erinnere sich nur eines Witzes, der damals eine Zeit lang von Mund zu Mund ging. Auf die Frage, was der DDR-Sozialismus von den vorangegangenen Gesellschaftsformationen übernommen habe, lautete die Antwort: Von der Urgesellschaft die Produktivkräfte, von der Sklaverei die Behandlung des Menschen, vom Feudalismus die vielen kleinen Könige und vom Kapitalismus die Widersprüche. So filigran wie in ihrer Kunstfertigkeit ist die Ausstellung in ihrer vielseitig zu deutenden Aussage. Der Betrachter wird angeregt – zum Staunen und Bewundern, vor allem auch der Schöpfer dieser Kunstwerke, besonders aber zum Nachdenken über deren Motivation und Absichten, über die Aussagen des Dargestellten. Denn ihm wird nichts gesagt, bei ihm allein liegt die Deutungshoheit, des Ganzen und seiner Details. Was ist Zufall an der Idee im Großen und an den vielen Ideen im Kleinen, was ist frei erfunden und was wurde vielleicht angeregt durch Ereignisse im uns und die Künstler betreffenden realen Geschichtsverlauf des vergangenen halben Jahrhunderts?
1952/53, ist den Schautafeln zu entnehmen, wurden die beiden Miniaturkönigreiche Pelarien und Dyonien gegründet. Deutsche Geschichte in verzögerter Widerspiegelung? 1970: Revolution in Dyonien und Ausrufung der Republik Jonesien. Pelarische Regimenter okkupieren dyonisches Hoheitsgebiet und schlagen den Aufstand nieder. 1973 schafft dann der konservative König Richard in Dyonien endgültig die Demokratie ab. Das erinnert wohl manchen an die achtundsechziger Ereignisse in der Tschechoslowakei, den sogenannten Prager Frühling. Etwa zeitgleich gab es in Pelarien mit dem Regierungsantritt von Talari III. einen Machtwechsel. Es könnte der Sturz von Walter Ulbricht gemeint gewesen sein. Es könnte, es könnte … Aber es musste nicht. Es war eben Kunst, auch Kunst des Widerstands in einer so eigenartigen Gesellschaft wie der im Osten Deutschlands, die wohl nur diejenigen richtig verstehen und durchschauen konnten beziehungsweise können, die sie selbst erlebten; in einer zentralistisch geführten Gesellschaft ohne Freiraum, aber mit vielen Freiräumen in den teils gefundenen, teils selbst gestalteten Lebensnischen. Da konnte einer widerstehen ohne offensichtlichen Widerstand zu leisten, konnte ja sagen ohne innere Teilnahme, konnte wählen ohne sich entscheiden zu müssen. Denn da galt das Wort mehr als die Tat, und Heuchelei war gewünscht, wenn sie nur der Ruhe diente. Doch zugleich wurde der Widerspruch als Triebkraft allen Lebens gepriesen. Dies alles die Schuld der Menschen, ob „oben“ oder „unten“? Darüber kann man streiten. Es scheint, die Verhältnisse banden allen die Hände, keiner konnte tun, was er ohne entsprechende Konsequenzen (und nicht nur die persönlichen) vielleicht gern getan hätte. Das war immer so und wird wohl immer so sein. Doch bei uns Deutschen mit unserer historischen Zerstrittenheit scheint das eine besonders komplizierte Angelegenheit zu sein.
Am Anfang war das Wort, heißt es in der Bibel. Und bis vor nun fast zweieinhalb Jahrzehnten wurde uns von Nicht-Christen beigebracht: Das Wort ist alles. Gerhard Bätz und Manfred Kiedorf  hatten das verstanden. Und so schufen sie, vielleicht nach dem Beispiel ihrer staatlichen Lehrmeister, auch eine eigene Sprache für die Königreiche ihrer gepriesenen Insel. Zu finden ist sie als Inschrift unter dem Giebel von Schloss Pyrenz: TIUK DE PE IS ALLA WACHN PE heißt es dort auf Alt-Pezanisch und soll so viel bedeuten wie „Freue Dich, der König ist alle Zeiten der König“. Dieses altehrwürdige Bauwerk mit seinen weitläufigen Gärten, erfährt der Besucher, war einst die Residenz der dyonischen Könige. Der älteste Teil stamme noch aus der Zeit Heinrichs VII. und habe damals noch Festungscharakter besessen. Im Ehrenhof findet sich eine Figurengruppe des „Heiligen Schwalbenschwanz in seinem Martyrium, wie er von Amazonen gemissbraucht wird“.  Dies soll sich im 2. Jahrhundert (nach Centuszeitrechnung) an genau jenem Ort ereignet haben. Eine zauberhafte Phantasie!
Jede erdachte Person ist eine Persönlichkeit mit Namen, Titel, Stammbaum und einem besonderen Charakter, der bis zur letzten Marotte ersonnen wurde. All dies ist in den Chroniken der Königreiche – natürlich en miniature gefertigte Bücher – und in dem Umfangreichen Briefwechsel der Künstler festgehalten, den der Besucher ebenfalls in der  Ausstellung vorfindet. Es ist eine bunte und lebensfrohe Welt mit all ihren Raffinessen, die das Edle und Exquisite ebenso beherbergt wie Banales und Vorwitziges, heißt es in einem an der Kasse ausliegenden Flyer.
Mit ihrem Werk rufen Gerhard Bätz und Manfred Kiedorf, die beide dem Verband Bildender Künstler der DDR angehörten, dem Betrachter die Vergangenheit ins Gedächtnis – mit viel Liebe und Ironie. Und so kann man auch ihren Blick in die Zukunft zu interpretieren. Die letzte Eintragung in ihrer Zeittafel lautet: 1990 Beginn des „Goldenen Zeitalters“ auf der gepriesenen Insel, alle kriegerischen Aktivitäten werden endgültig eingestellt.

(Erschienen in "Das Blättchen", Nr. 20/2013)