Dienstag, 22. Oktober 2002

Sozialismus-Theorie für das 21. Jahrhundert?

Stellungnahme zu Clemens Burrichters Suche nach einer Theorie des demokratischen Sozialismus unter den Bedingungen und unter den realen Lebensverhältnissen der heutigen Technologiegesellschaft - in der Zeitschrift "Deutschland Archiv", Heft 5/2000
 
Vielerorts wird ein Theoriedefizit der sozialistischen Bewegung beklagt, so von C. Burrichter in einer Rezension des Buches von Uli Schöler "Ein Gespenst verschwand in Europa. Über Marx und die sozialistische Idee nach dem Scheitern des sowjetischen Staatssozialismus" (J.H.W.Dietz Verlag, Bonn 1999, besprochen von Clemens Burrichter in der Zeitschrift "Deutschland Archiv", Heft 5/2000). Darin spricht er, B., von der Suche nach einer Theorie des demokratischen Sozialismus unter den Bedingungen und unter den realen Lebensverhältnissen der heutigen Technologiegesellschaft. Doch nicht nur das Wahldebakel der PDS vom 22. September lässt die Frage entstehen: Bedarf es im 21. Jh. überhaupt noch einer Sozialismus-Theorie?

Von der DDR-Wirtschaftswissenschaft verkannt

Marx' Auseinandersetzung mit der Tauschbank und dem Stundenzettel der Saint-Simonisten sowie seine Kritik des Gothaer Programms

(erschienen in "DeutschlandArchiv", Zeitschrift für das vereinigte Deutschland, Heft 5/2002)

Eines der grundlegenden Postulate sozialistischer Wirtschaftstheorie in der DDR und den anderen Ländern des Realsozialismus war die These von der sozialistischen Warenproduktion, wonach die Beziehungen zwischen den volkseigenen Betrieben wie überhaupt die Beziehungen zwischen den selbständigen Wirtschaftseinheiten, also auch den genossenschaftlichen und privaten Betrieben, den Charakter sozialistischer, weil planmäßig gestalteter, Warenbeziehungen haben sollten.

Wohl wissend, daß Marx und Engels in dieser Frage ganz anderer Auffassung waren, wurde behauptet - so nicht nur die damalige offizielle Lehrmeinung, sondern die Darstellungen in der gesamten sozialistischen Wirtschaftsliteratur -, die "Klassiker" hätten sich in dieser wichtigen Frage geirrt, hätten die Praxis nicht voraussehen können. Dies war um so weniger zu verstehen, als ja Karl Marx in seinen Grundrissen der Kritik der Politischen Ökonomie, in der Auseinandersetzung mit den Saint-Simonisten und der von ihnen vorgeschlagenen Tauschbank, ein Wirtschaftssystem als Konsequenz jener utopischen Vorstellungen karikierte, welches bei kritischer Betrachtung der Realität genau dem entsprach, was in den Ländern des Sozialismus nicht nur gelehrt, sondern auch praktiziert wurde, wie die folgenden Auszüge leicht erkennen lassen: