Montag, 22. Juni 2015

Illusionen und Hoffnungen sterben zuletzt



Von Heerke Hummel
(Erschienen in; „Das Blättchen“, Heft 13/2015 – www.das-blaettchen.de)
Die Welt ist in Unordnung wie selten vorher, vielleicht wie nie zuvor. Und der Mensch ist das Problem. Seit hundert Jahren befindet sich die menschliche Gesellschaft in einer Dauerkrise und auf der Suche nach Lösungen für die Widersprüche, in die sie verstrickt ist. Dieser Zeitabschnitt wurde einst von den Ideologen des Ostens optimistisch als Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus bezeichnet. Doch vor einem Vierteljahrhundert ging dieser Optimismus vieler Millionen ganz plötzlich verloren. Waren es Illusionen gewesen? Mit den Reformen des Ostens – allgemein als Untergang des Realsozialismus betrachtet – war die Welt ohne das Freund-Feind-Bild orientierungslos geworden, und Pessimismus überzog den Erdball angesichts nicht nur atomarer Gefahren und gesellschaftlicher Katastrophen, sondern auch und vor allem eines drohenden ökologischen Desasters unseres Planeten. Und nur allmählich wird die theoretische Schockstarre überwunden, entwickelt sich wieder analytisches Nachdenken über die Situation, in der sich die Welt befindet, und über Wege zur Wiederherstellung von Gleichgewichten in der Gesellschaft, in ihrer Ökonomie sowie zwischen Mensch und Natur ganz allgemein. Jüngstes Beispiel dafür ist ein Buch von Raul Zelik und Elmar Altvater. Mehrere Wochen führten die beiden einen Dialog „über Mythen des Kapitalismus und die kommende Gesellschaft“, der bereits 2009 veröffentlicht wurde. Nun, 2015, hat man ihn aktualisiert und, durch einen Abschnitt ergänzt beziehungsweise abgerundet, unter dem Titel „Vermessung der Utopie“ erneut als Taschenbuch herausgegeben.[i]
Den Autoren geht es darum, Wege zu finden hin zu einer emanzipierten Gesellschaft. Und sie meinen, die gescheiterten Emanzipationsversuche in der Geschichte der Menschheit hätten gezeigt, wie es nicht geht. Nun werde eine Reflexion über utopische Entwürfe gebraucht, es müsse beantwortet werden können, inwieweit diese Entwürfe einigermaßen realistischen sind. Ob sie tauglich sind, sei daran zu messen, „ob sie den Menschen ein gutes Leben ermöglichen – in ökologischer, sozialer, politischer Hinsicht. Ob sie ermöglichen, die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen, die Natur zu bewahren – aber auch, ob sie zu einer herrschaftsfreien Welt führen, in der die Menschen ihr Leben, auch ihr Arbeitsleben, selbst gestalten können und nicht nur Untertanen sind.“ Eine so formulierte Aufgabe gleicht dem Ei des Kolumbus. Vermochten die Autoren sie zu lösen?

Anmerkung



Zu Ulrich Buschs Artikel „Bargeldose Geldwirtschaft“ („Blättchen“, Heft 12/2015 - http://das-blaettchen.de/2015/06/bargeldlose-geldwirtschaft-33085.html)
Wer bereit ist anzuerkennen, dass das Geld im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts zu nichts weiter als einer Information über „für die Gesellschaft verausgabte Arbeit“ beziehungsweise über entsprechenden Anspruch darauf im Rahmen einer – wie auch immer gearteten – gesellschaftlichen Buch- und Rechnungsführung über Soll und Haben geworden ist, wird Ulrich Buschs Feststellungen über eine bargeldlose Geldwirtschaft akzeptieren können und die im Forum des „Blättchens“ geäußerten Bedenken vor einer solchen Zukunft nicht teilen.