Freitag, 7. September 2012

Kommentar zu Heiner Flassbecks Aufruf „Trennt euch!“


Kommentar zu Heiner Flassbecks Aufruf „Trennt euch!“ 
(„Das Blättchen", Nr. 18/2012; http://das-blaettchen.de/2012/08/trennt-euch-16047.html )

Viele mögen H. Flassbecks Skepsis gegenüber dem Euro teilen, ich teile sie nicht. Gewiss, Wirtschaftspolitik muss den Ausgleich von Handels- und Leistungsbilanzen zwischen den Staaten im Auge haben. Aber sie muss gleichzeitig zur Herausbildung einer komplexen Proportionalität – in finanzieller und in sachlich-struktureller Hinsicht – eines Wirtschaftsraumes beitragen. Und sie muss dazu ein System selbstregulierender Marktbeziehungen gestalten, das eingebettet ist in sinnvolle gesetzliche Vorgaben entsprechend ökonomisch-ökologischen, sozialen und politischen sowie kulturellen Erfordernissen. (Das alles existiert bereits, wenn auch in unbefriedigender Art und Weise.)
Europäische Kleinstaaterei steht dem meines Erachtens im Wege. Europa braucht, denke ich, eine politische Zentralmacht und eine zentrale wirtschaftslenkende Behörde, um einen relativ selbständigen und harmonisch gestalteten ökonomischen Großraum schaffen zu können, der sich im Konzert internationaler Giganten Gehör zu verschaffen und seine sowie die Interessen seiner Bürger – auch gegenüber Finanzmächten – zu wahren vermag, beispielsweise durch Schutz vor Billig-Importen und Regulierung von Finanztransaktionen.
Noch sind wir von einem solchen Europa weit entfernt. Die jüngsten Beschlüsse der Europäischen Zentralbank zur Bekämpfung der europäischen Staatsschuldenkrise durch Ankauf von Staatsanleihen einerseits und Einflussnahme auf die nationale Haushaltspolitik begünstigter Staaten andererseits dürften allerdings im Prinzip einen – wenn auch nur sehr kleinen – Schritt in die richtige Richtung bedeuten. Der Prozess der europäischen Einigung unterliegt doch wohl, wie alle Politik, den Fesseln der Zeit; was bedeuten soll, dass das Machbare und sich Vollziehende immer abhängig ist von einer Unzahl objektiver und subjektiver Faktoren zum gegebenen Zeitpunkt. Und was derzeit zur Krisenbewältigung getan wird geschieht leider nicht aus Einsicht in objektive Zusammenhänge, sondern nur der äußersten Not gehorchend.