Samstag, 7. März 2015

Modell Europa?



Von Heerke Hummel


(Erschienen : „Das Blättchen“, Sonderausgabe | 20. April 2015, http://das-blaettchen.de/18-jahrgang-2015/sonderausgabe-3-2015.html)

Im Streit darüber, wie die griechische Schuldenkrise zu überwinden ist, spielt Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht der Europäischen Union eine tonangebende Rolle. Und in dem Streben , für den Schuldenabbau ihren Sparkurs nicht nur den Griechen, sondern allen EU-Ländern aufzuzwingen, können sich die derzeit kursbestimmenden Kräfte dieses Landes – offensichtlich noch mit Gelingen – auf die bisherigen deutschen Wachstumserfolge berufen. Jedenfalls konnte nach dem Wahlsieg  der SYRIZA vom 25. Januar die antigriechische Front in der EU bisher gehalten werden. Dennoch: Die Protestbewegung im Süden und Westen der EU gegen die von der BRD verordnete Politik des unsozialen Sparens dürfte in den nächsten Monaten weiter an Umfang und Kraft gewinnen. Bereits 2013 veröffentlichte der Franzose Guillaume Duval ein Buch, dessen deutsche Übersetzung im vorigen Jahr unter dem Titel „Modell Deutschland? Nein Danke!“ erschien.  Duval, Chefredakteur der Monatszeitschrift „Alternatives Économiques“, arbeitete mehrere Jahre in der deutschen Industrie, kann also als guter Kenner auch der hiesigen Verhältnisse angesehen werden. Seine Analyse aus französischer Perspektive macht das Buch für deutsche Leser besonders interessant. Denn der Autor hat nicht gegen die Deutschen geschrieben. Im Gegenteil! Er würdigt unsere Leistungen und wirtschaftlichen Erfolge und analysiert mit einem wirtschaftsgeschichtlichen Rückblick deren tatsächliche Ursachen, die wohl jenen nicht bewusst sind, die herablassend ganz Europa das Schrödersche Sparmodell der Agenda 2010 aufzwängen möchten. Sein Resümee: „Die deutsche Industrie ist nicht besser über die Krise hinweggekommen als die französische, weil Gerhard Schröder die Ausbreitung von Armut merkbar gefördert und aus Deutschland ein Land gemacht hat, in dem die Ungleichheit noch größer ist als in Frankreich. Die wahren Ursachen dieses Erfolgs und die nachahmenswerten Elemente des deutschen Modells liegen eher im Bereich der Mitbestimmung und der stärkeren Beteiligung der Beschäftigten an Unternehmensentscheidungen, in einem weniger autoritären und hierarchischen Management, in einer höheren gesellschaftlichen Wertschätzung der Industriearbeit, in einer größeren sozialen Mobilität, darin, dass das Land ohne die französischen Eliteschulen auskommt und in seinem Bildungssystem nicht nur auf permanenten Wettbewerb und Selektion setzt, und letztendlich in einer ausgeglicheneren föderalen Struktur …“