Samstag, 2. Oktober 2010

Ei des Kolumbus: Systemwandel

Kommentar von H. H. zum Interview mit Jim Rogers: „Wer frisches Geld druckt, ruiniert sein Land“ in „Handelsblatt“-Online,

Eine Möglichkeit wurde von Mister Rogers und den Kommentatoren noch gar nicht beleuchtet: Die Revolutionierung des gesamten Wirtschafts- und Finanzsystems.


Es könnte doch sein, dass die Masse der heutigen US-Amerikaner, also das amerikanische Volk und eine es vertretende Regierung, gar nicht willens sind, für die ungeheure Schuldensumme wahrscheinlich Hunderter Billionen Dollar aufzukommen, die ihre Väter und Großväter in etwa einem Jahrhundert mit „ungedeckten“ Dollars in der ganzen Welt anhäuften. Es könnte doch sein, dass demnächst ein amerikanischer Präsident mit einem nicht weniger bedeutenden und die Realität noch drastischer offenbarenden amerikanischen Coup dem Beispiel Richard Nixons folgte, der während der Dollarkrise 1971 eines Sonntagabends vor die Fernsehkamera trat, um der staunenden Welt mitzuteilen, der Dollar werde ab dem nächsten Morgen nicht mehr gegen Gold eingetauscht (laut Abkommen von Bretton Woods 35 Dollar gegen 1 Unze Feingold) – ein Schritt, den damals Theoretiker wie Praktiker des Finanzwesens für nicht machbar gehalten hatten. Doch nun würde der amerikanische Präsident, gewissermaßen als zweiten Schritt amerikanischer Finanzstrategie, verkünden: Die USA werden am nächsten Tag einen Währungsschnitt, beispielsweise im Verhältnis 1:1000, durchführen, ausgenommen vielleicht Spareinlagen und sonstige Kleinvermögen an bestimmten Wertpapieren bis zu einem Volumen von, sagen wir, 100.000 Dollar für US-Bürger; das Ganze verbunden mit einem allgemeinen Preisstopp auf dem US-Binnenmarkt und diversen Durchführungsbestimmungen sowie notwendigen Wirtschaftsregularien.

Die ganze Welt, insbesondere die privaten und institutionellen Besitzer riesiger Dollar-Guthaben, wäre – wie 1971 – zunächst entsetzt. Doch das Leben würde weitergehen, die Realwirtschaft weiter produzieren, die Konsumenten würden ihren Lebensunterhalt durch „ehrliche Arbeit“ bestreiten, die Händler weiter handeln – auf der Basis einer neuen nationalen, sicherlich auch neuen internationalen Währung, über die man sich, möglicherweise im Rahmen internationaler Grundsätze für den weltweiten Güter- und Finanzverkehr, der Not gehorchend vermutlich bald verständigen könnte. Die Welt müsste erkennen, dass ihre Vorstellung von Reichtum nur eine Fiktion war, deren Blase nun platzte. Die ökonomische Wissenschaft müsste dies erklären mit der Feststellung, dass der amerikanische Präsidentenerlass von 1971 den Dollar und das an ihn gebundene Geld aus einer sachlichen Ware in eine Bescheinigung für geleistete Arbeit verwandelte – ein seinerzeit richtiger finanztechnischer Schritt, dem aber bislang die notwendigen theoretischen und praktischen Konsequenzen im Wirtschafts- und Finanzsystem, insbesondere was die Verteilung von Reichtum betrifft, nicht gefolgt sind.

Auch eine solche Entwicklung ist, quasi als „Ei des Kolumbus“, möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich; und es wäre wohl die beste, weil logisch notwendige.

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