Dienstag, 26. Oktober 2010

"Gesellschaft im Irrgarten" - im Überlick

Seit dem „Zusammenbruch des Realsozialismus“ wurde viel darüber spekuliert, was da im Zuge einer friedlichen Revolution in Europa und Asien eigentlich zusammenbrach. Was wir heute haben, glauben fast alle übereinstimmend zu wissen: Finanz- und Kasino-Kapitalismus der schlimmsten Art. Die aktuelle Krise scheint das zu bestätigen. Sogar über deren Schuldige ist man sich weitgehend einig: die bösen, gierigen Manager. Doch der Blick in die Zukunft trennt die Geister schon wieder. Das Gespenst des Sozialismus steht erneut vor der Tür – als Hoffnungsstrahl der einen und als Vogelscheuche der anderen.


Mit dem Buch analysiert der Autor die gravierenden Veränderungen in der Ökonomik der Gesellschaft während des 20. Jahrhunderts sowohl im Ostblock als auch im Westen einerseits und andererseits die illusionären Vorstellungen sowohl der Sozialisten als auch des bürgerlichen Lagers jeweils von sich selbst wie auch von dem Gegenüber. So bekämpften sie sich sieben Jahrzehnte lang in einer mörderischen Systemauseinandersetzung mit ungeheuren menschlichen und materiellen Opfern; - ohne zu begreifen, dass man wie in einem wahnsinnigen Wettlauf um Leben und Tod auf verschiedenen Wegen nur einem gleichen Ziel entgegen lief: der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, wie sie heute ist.

Niederlage des Sozialismus und Sieg des Kapitalismus? Nein! Es war eine ziemlich plötzliche Reform dessen, was sich Sozialismus nannte, und eine schleichende - kaum als solche wahrgenommene - Reform dessen, was alle Welt als Kapitalismus betrachtete. Missverständnisse über Missverständnisse von sich selbst und vom vermeintlichen Gegner auf beiden Seiten, die bis heute anhalten!

Die vom Autor angestellte Analyse der Entwicklung des Geldes ergibt, dass wir uns heute in der von Karl Marx erwarteten neuen Gesellschaft befinden, die, wie es in seiner „Kritik des Gothaer Programms“ heißt, noch „mit den Muttermalen der alten Gesellschaft behaftet“ ist und in welcher der Einzelne für seine Arbeit einen Schein bekommt, dass er soundso viel Arbeit geleistet hat. Mit dem kann er aus dem gesellschaftlichen Vorrat soviel Waren ziehen, als gleich viel Arbeit kosten. Aus dem Geld von einst ist ein Arbeitszertifikat geworden und ein Anteilschein am Produktivvermögen der Gesellschaft. Aus dem Kapitalisten wurde ein Betriebsleiter, der – weitestgehend mit geliehenem Geld – im Auftrage der Gesellschaft wirtschaftet und dazu mit ganz bestimmten Rechten und Kompetenzen ausgestattet ist. Worin Marx sich irrte: In der Annahme, dass eine solche Entwicklung sich nur auf dem Wege einer proletarischen Revolution würde vollziehen können. Im Westen reformierte das Bürgertum die kapitalistische Warenproduktion selbst, nämlich durch die Abkopplung des Geldes von der Goldware und seine Verwandlung in ein Arbeitszertifikat. Es vergesellschaftete damit die Produktionsfonds und machte die staatliche Geld- und Finanzpolitik verantwortlich für einen funktionierenden Reproduktionsprozess der Gesellschaft. Die dramatischen staatlichen Maßnahmen des Jahres 2009 zur Rettung der Wirtschaft sind dafür der schlagende praktische Beweis. Was Marx gewiss auch nicht erwartete: dass sich die Muttermale der alten Gesellschaft als so furchtbare Pestbeulen erweisen würden, wie sie es in den letzten hundert Jahren taten, und dass sich die Gesellschaft als ganze über so lange Zeit so großen Illusionen von ihren eigenen Existenzbedingungen hingeben würde.

Diese Illusionen bestimmen auch heute die Vorschläge zur Überwindung der Krise. Von Verstaatlichungen sprechen die einen – nicht verstehend, dass es dieser gar nicht mehr bedarf, weil die Vergesellschaftung bereits vollzogen ist. Weitermachen wie bisher nach der Methode “Versuch und Irrtum“ schlagen die anderen vor. Doch aus der Analyse des Geldsystems folgt: Der Staat hat die gesetzlichen Rahmenbedingungen den veränderten wirklichen Verhältnissen entsprechend zu gestalten und dem Geld- und Finanzsystem ein Korsett anzulegen, das diesem System reichlich Luft zum Atmen gibt, aber es gleichzeitig vor Ausuferung schützt. Denn die Schuldigen an der jetzigen Krise sind nicht einige gierige Manager. Die taten nur, was das auf Aberglauben beruhende „System“ von ihnen erwartete und ihnen gesetzlich ermöglichte. Schuld war das ganze „System“ – hervorgebracht von einer Wissenschaft, die selbst Teil des Systems war und sich dessen Dogmen mehr verpflichtet fühlte als der Suche nach der Wahrheit. Der Ausweg aus der Krise auf Dauer liegt in einer Koalition der Vernünftigen, die sich ihrer Gemeinsamkeiten auf Grund der veränderten Ökonomik der Gesellschaft bewusst sind - über alle Partei- und Ländergrenzen hinweg.

Damit ist der inhaltliche Rahmen des Buches grob umrissen. Nicht umfassendes Wissen über die Geschichte der vergangenen hundert Jahre soll vermittelt, sondern nur aufgeklärt und konzentriert deutlich gemacht werden, wie sehr sowohl das bürgerliche Lager als auch das der Sozialisten die reale gesellschaftliche Ökonomik missverstanden; woraus die Tragik des 20. Jahrhunderts erwuchs.

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