Von
Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“, Nr. 3/2013 - http://das-blaettchen.de/) Zu später Stunde strahlte das Bayerische Fernsehen (BR-alpha) zu Jahresbeginn die Aufnahme der fünften Veranstaltung „Dialog unter der Kuppel“ aus. Diese Reihe unter der Ägide von Ministerpräsident Seehofer in jährlichem Rhythmus soll zum öffentlichen Diskurs der Zukunftsfragen unserer Zeit beitragen. Nachhaltiges und sozial verantwortliches Handeln brauche das Denken über den Tellerrand des Hier und Heute hinaus, hieß es in der Ankündigung des Gastgebers, und mit interdisziplinären und innovativen Ansätzen wolle man diese Kultur der Verantwortung voranbringen.
Bereits Anfang Dezember hatte Horst Seehofer seine „hochkarätigen“
Gesprächspartner im Kuppelsaal der Bayerischen Staatskanzlei empfangen, um mit
ihnen unter der Moderation von Prof. Sigmund Gottlieb, Chefredakteur des
Bayerischen Fernsehens, diesmal über das Thema „Geld regiert die Welt. Wer
regiert das Geld?“ zu reden. Immerhin hätten die internationalen Wirtschafts-
und Finanzkrisen einen neuen Diskurs über die gesellschaftliche Verantwortung
ökonomischen und politischen Handelns ausgelöst, hieß es in der Ankündigung.
Die Frage sei: „Wie können wir die Grundfesten unserer Sozialen Marktwirtschaft
sichern und dennoch auf den internationalen Finanzmärkten bestehen?“ Und: „ Wie
stärken wir Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Wohlstand in unserem Land,
ohne den sozialen Zusammenhalt zu vernachlässigen?“ Solche vom Bayerischen
Ministerpräsidenten schon im Vorfeld in den Raum gestellten Fragen, aber auch
der würdige Ort der Veranstaltung, der Teilnehmerkreis und das ganze Flair
ließen mehr als eine der üblichen Talk-Shows erwarten, die mehr der allgemeinen
Unterhaltung als der gründlichen Besprechung wichtiger Sachverhalte und
Zusammenhänge dienen. Solche Erwartung wurde zwar nicht enttäuscht, aber auch
nicht so richtig befriedigt. Zwar trat viel praktischer und vor allem
juristischer Sachverstand zutage, doch die bereits im Thema formulierte Frage
„Wer regiert das Geld?“ blieb offen, auch nachdem Moderator Gottlieb sie
mehrmals und direkt personengerichtet gestellt hatte. Zu klaren Antworten
fehlte offenbar der Mut, man schien sich drum herum zu drücken.
Bemerkenswert offen und ehrlich war da noch der Bayerische
Ministerpräsident. Er gestand ein, „man“ (wörtlich „wir“) habe(n) Fehler
gemacht und den Bankern zu viel Freiheit in ihrem Finanzgebaren gewährt, und
nun gehe es darum, diese Fehler Schritt für Schritt wieder zu korrigieren. Aber
das sei eben nicht leicht angesichts der internationalen Verflechtung der
Finanzmärkte und der divergierenden nationalen Interessenlagen und Meinungen.
Überraschenderweise kam ausgerechnet der Theologe
Reinhard Kardinal Marx mit seinem Hinweis auf die Loslösung des US-Dollars sowie
der seinerzeit an ihn gekoppelten Währungen vom Goldstandard (im Jahre 1971)
der Einsicht in die objektiven
Ursachen der heutigen Finanzmisere am nächsten. (Die „Gier“ und
Verantwortungslosigkeit der Finanzhaie ist nämlich ein subjektives Phänomen, eine Erscheinung in der Sphäre des
menschlichen Bewusstseins!) Darin eine Veränderung gesellschaftlicher
Verhältnisse, insbesondere der Beziehungen der Menschen zum Eigentum zu
erkennen, die unabhängig von ihrer Erkenntnis durch das menschliche Bewusstsein
real existieren, konnte von dem Mann Kirche und des Glaubens nicht unbedingt erwartet
werden, auch wenn seine Funktionen (unter anderem Vorsitzender der Kommission
der Deutschen Bischofskonferenz für gesellschaftliche und soziale Fragen) ihn
dafür in gewisser Weise prädestinieren.
Auf jeden Fall war solche Erkenntnis nicht von dem
Erfinder der „Steuererklärung auf dem Bierdeckel“, Friedrich Merz, zu erwarten.
Immerhin wurde dieser dennoch seinem in der Anmoderation zu hörenden Ruf als
Finanzexperte gerecht. Dazu mag auch nicht besonders viel gehören angesichts
seiner zahlreichen, oft gleichzeitig ausgeübten Jobs in diversen Anwaltskanzleien,
Unternehmen, Verbänden und Gesellschaften, nicht zuletzt auch im Parlament. Da
erfährt und lernt man eine Menge und kann das alles mit einiger Intelligenz zu
recht interessanten Aussagen vermischen.
Anders dagegen
bei Frau Professor Claudia M. Buch! Als studierte Volkswirtschaftlerin
arbeitete sie mehr als ein Jahrzehnt am Institut für Weltwirtschaft in Kiel
(IfW) und übernahm dort sogar die Leitung des Forschungsbereichs
"Finanzmärkte". Nach Promotion und Habilitation wechselte sie als
Professorin für Wirtschaftswissenschaften an den Lehrstuhl für
Wirtschaftstheorie, insbesondere Geld und Währung, der Eberhard-Karls-Universität
Tübingen. Heute ist sie die wissenschaftliche Direktorin des Instituts für
Angewandte Wirtschaftsforschung, Tübingen, sowie Mitglied des
Sachverständigenrats für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung („Wirtschaftsweise“) und außerdem Vorsitzende des Wissenschaftlichen
Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Sie forscht über
die Regulierung und Aufsicht von Banken. Gerade von dieser so intensiv mit der
Materie befassten Wissenschaftlerin wäre eine deutliche (vor allem auch
theoretische) Klarstellung der Vorgänge im Finanzwesen zu erwarten gewesen. Doch
wie sehr die ganze bürgerliche Wirtschaftswissenschaft (nicht erst) seit der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts versagt hatte und damit die eigentliche
Verantwortung für das große ökonomische Desaster trägt, machte Frau Prof. Buch
(wenn auch ungewollt) deutlich mit der Feststellung, das Platzen der
Finanzblasen hätten die Ökonomen nicht vorhersehen können, auch sie selbst sei überrascht
worden. Kam denn wirklich niemandem je die naheliegende Frage in den Kopf, wer
die Billionen an Schulden (allein in Deutschland!) wann und wie zurückzahlen
soll? Und wieder war in der Gesprächsrunde unter der Kuppel Kardinal Marx der
einzige, der den Mut hatte (als Theologe unabhängiger weise haben konnte?),
ganz kategorisch festzustellen: „Diese Summen sind nicht rückzahlbar!“ Frau
Buch wird das auch wissen. Aber sie sagte es nicht und sprach sich lieber
konsequent gegen eine gemeinsame europäische Sicherung der Bankeinlagen aus,
weil dies eine Vergemeinschaftung der Haftungsrisiken bedeuten würde, was den
deutschen Interessen widerspräche. Wenigstens im Dschungel der praktischen Wirtschafts-
und Finanzpolitik sowie der entsprechenden privaten (und auch nationalen)
Interessen zeigte die Professorin Durchblick und war damit Herrn Merz
ebenbürtig.
War der ganze „Dialog unter der
Kuppel“ also sinnlos? Nein! Wenigstens wurde ja die Frage nach Wegen aus der
Finanzkrise „zwischen Primat der Politik und Diktatur der Märkte“ angesprochen, auch wenn sie nicht beantwortet wurde. Auch wenn der „Diskurs
über die gesellschaftliche Verantwortung ökonomischen und politischen Handelns“
Konsequenzen nicht einmal andachte, geschweige denn in Erwägung zog, scheint
doch wenigstens ein Gefühl dafür wieder lebendig zu werden, das jahrzehntelang
verlorengegangen zu sein schien, obwohl es in Artikel 14 des Grundgesetzes der
Bundesrepublik Deutschaland heißt: “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll
zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Aber was ist Eigentum? Ist das Geld, das wir
verdienen und das größtenteils nur noch als elektronische Information in
Computern existiert, unser Eigentum? Oder sind es die Dinge, die wir damit
erwerben können? Bis 1971 vertrat unser Geld je 35 US-Dollar eine Feinunze Gold,
das bei der amerikanischen Notenbank (Federal Reserve System – Fed) lag. Dort befand sich unser eigentliches,
reales Eigentum, wenn wir Geld in der Hand oder auf dem Sparbuch hatten. Seinen
ziemlich stabilen Wert und Gebrauchswert (seine Nützlichkeit) kannten wir, auch
seinen Hüter. Wenn wir irgendetwas kauften, tauschten wir eigentlich dieses
Gold gegen eine andere Ware unseres Bedarfs ein. Es wechselte, in den Tresoren
der Fed verbleibend, seinen Eigentümer. Das Ganze war eine private Angelegenheit (Tausch – Gold gegen Ware) zwischen Käufer
und Verkäufer. Und heute? Heute vertritt unser Geld anonymes Realeigentum (der
Gesellschaft als ganze), von dem wir uns noch gar nicht im Klaren sind, worin
es bestehen soll, wann und wofür wir es nutzen wollen und wo, bei wem es sich
befindet oder befinden wird, wenn wir es mit unserem Gelde erwerben wollen. Und
vor allem wissen wir nicht, was es dann „wert sein“ bzw. kosten wird.
Aus diesem
Unterschied resultieren die heutige, größere „gesellschaftliche Verantwortung ökonomischen und politischen
Handelns“ und die Notwendigkeit, der Politik ein Primat gegenüber der „Diktatur
der Märkte“ zu sichern. Solange mit je 35 US-Dollar eine Feinunze Gold auf dem
Spiel stand, hielt sich die Spekulation mit diesem Geld in Grenzen, wurde sie
gebremst, weil das Risiko des Verlusts eine konkrete Erscheinung, ein
bestimmtes Maß hatte und ein privates Risiko war. Das galt insbesondere für den
Herausgeber und Regenten des Geldes, den Hüter dieses realen Schatzes, die Fed.
Dennoch duldete sie Spekulation wie auch die riskante Verschuldungspolitik des
US-amerikanischen Staates, solange das Vertrauen ihrer (der Bank) Gläubiger (in
Gestalt der Inhaber von Dollar-Guthaben) vorhanden und der Goldschatz in ihren
Tresoren nicht durch Abfluss ins Ausland
gefährdet war. Als dieser Fall aber 1971 eintrat, zog man mit dem Bruch des
Abkommens von Bretton Woods die Notbremse. Dies bedeutete das Ende der ohnehin
bereits stark unterhöhlten ökonomischen Steuerungsfähigkeit des Geldes und der
Märkte, weil Geld nun ohne unmittelbare Konsequenzen für seine Schöpfer
„beliebig“ vermehrt und in Umlauf gebracht werden konnte. Denn dazu bedurfte es
von nun an keines wirklichen Arbeitsaufwandes zur Schaffung realen Reichtums,
sondern höchstens „guter“ Geschäftsideen. Jeglichen Verlust trug von nun an und
von vornherein „die Allgemeinheit“. Es war der Beginn eines neuen Prinzips in
der Praxis von Wirtschaft und Politik: Privatisierung der Gewinne und
Sozialisierung der Verluste. Und der sogenannte „Neoliberalismus“ lieferte
dafür auch eine „theoretische“ Basis mit diversen Modellen ökonomischen
Wachstums. Die beherrschen noch heute das allgemeine Denken in Wirtschaft und
Politik, womit Geld- und Finanzvermögen aller Art für Reichtum und
Wohlstandsgrundlage gehalten werden.
Sigmund Gottlieb hätte seine
mehrfach vergeblich gestellte Frage „Wer regiert das Geld?“ am Schluss der Sendung selber beantworten und
feststellen müssen: Infolge wirtschaftswissenschaftlicher Fehlleistungen sowie
allgemeiner Leichtgläubigkeit ist es nicht
das Gesetz mit Begrenzungen und Normen für Rechte und Pflichten im Umgang
mit dem Gelde, bestimmt durch die Politik, sondern
es ist, kombiniert mit der Gier, die Dummheit!
Dazu Kommentar
von Frank Linnhoff:
Für Rätsels Lösung, muss man wissen, wie unser Geld in die
Welt gesetzt wird und von wem. Diejenigen, die es schöpfen, herrschen über ihre
Schöpfung. Oder beherrscht ihre Schöpfung sie, wie im goetheschen Gedicht?
In unseren hoch arbeitsteiligen Volkswirtschaften sind
drei verschiedene Geldarten im Umlauf: Münzen (ca. 0,5%), Banknoten (ca. 4%)
und Giralgeld (ca. 95%). Die Bundesbank gibt unter Aufsicht der EZB Münzen und
Banknoten aus, sie herrscht über etwa 5% unseres Geldes. Und der große Rest?
Nein, den setzen die Zentralbanken nicht in die Welt,
dürfen es in der Eurozone noch nicht einmal. 95% unseres Geldes
"regieren" die Zentralbanken nicht.
Ein aufgeklärter Staatsbürger sollte wissen, wie unser
Geld- und Banksystem der Mindestreserve und multiplen Geldschöpfung
funktioniert. Jedermann und Jedefrau können sich an der Quelle, auf der Website
der Bundesbank, sehr genau informieren. Da wird nichts geheim gehalten.
Der Ministerpräsident des bajuwarischen Freistaates hat
sich entweder nie schlau gemacht oder er ist ein gottverdammter Täuscher. Ich
tippe darauf, dass er tatsächlich nichts von der Materie weiß. Lebenserfahrung
hat mir gezeigt, dass die meisten Wirtschaftswissenschaftler nicht wissen, wie
unser Geldsystem funktioniert. Die Dame aus der Wissenschaft ist nicht zu
beneiden, könnte man doch gneigt sein, sie Fachidiotin zu titulieren.
Unserem Autor Heerke Hummel ist nicht vorzuwerfen, dass
er nicht weiß, ist er doch Teil des Aufklärung erhoffenden Publikums dieser
illustren Diskussionsrunde. Stattdessen floß christliches Moralin über ihn.
Motto : "Geld verdirbt den Charakter".
Sehr geehrter Heerke Hummel, machen Sie sich schlau, es
lohnt sich. Googeln Sie mit dem Wörtchen "Monetative".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen