Von
Heerke Hummel
(Erschienen in: „Das Blättchen“, Nr.1/2013 – http://das-blaettchen.de/2013/01/den-bock-zum-gaertner-machen-20263.html)
Nun hat es begonnen, das Wahljahr 2013. Zwar sind
noch knapp neun Monate Zeit, doch Kanzlerkandidat Steinbrück legte, anstelle
eines Aktionsprogramms, schon mal seine
Gehaltsvorstellungen im angestrebten Amt offen. Jedenfalls teilte er mit, womit
er nicht zufrieden wäre. Dabei war und ist doch noch immer allgemeines Sparen
beim Staat und bei seinen Bediensteten angesagt. Die Zeiten scheinen, wenigstens in Deutschland, vorbei zu sein.
Auch erinnert der Vorgang an die Zeit der Wende vor 23 Jahren. Da genehmigten
sich die endlich frei und „demokratisch“ gewählten Abgeordneten der Volkskammer der
DDR als Erstes einmal höhere Diäten. War das etwas ganz anderes als die seinerzeit
zu Recht so viel beschimpfte Selbstbedienung und Selbstherrlichkeit a la
SED-Politbüro?
Steinbrück erzeugte mit seiner Äußerung das
Kanzlergehalt betreffend zunächst einen allgemeinen Aufschrei, auch in den
eigenen Reihen. Der Dienst für Volk und Vaterland sei nicht zu vergleichen mit
und nicht zu vergüten wie der „Dienst“ am Kapital. Letzterer sei ja schließlich
Privatsache, unterliege privaten Entscheidungen, so Steinbrücks Kritiker. Und
vor allem sei er dieser Logik zufolge wertbildend, also echte, am Markt und an dessen
Ergebnissen gemessene Leistungsgratifikation. Die Vorstellung, dass
volkswirtschaftliches Handeln längst den Bannkreis des Privaten überschritten
hat und der Sache nach zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden ist, liegt also
immer noch außerhalb des allgemeinen Denk- und Vorstellungsvermögens.
Doch Steinbück, der schon im Vorfeld seiner Erhebung
zum offiziellen Kanzlerkandidaten der SPD mit seiner Einforderung von
„Beinfreiheit“ auf Unmut im niederen Parteivolk gestoßen war, aber seine
Kritiker mit kämpferischen Worten gegen die Finanzaristokratie zu besänftigen wusste,
war nun einmal gekürt. War es Dummheit oder Frechheit, die Wähler innerhalb und
außerhalb der SPD erneut so zu brüskieren? Gleichwohl, die Seilschaften in der
Partei konnten nun gar nicht anders als ihm mit der Behauptung Rückendeckung zu
geben, ein Kanzler(innen)gehalt von derzeit rund 16.000 Euro pro Monat
entspräche nicht der hohen, in diesem Amt getragenen Verantwortung für das Wohl
der ganzen Nation; und natürlich auch nicht der physischen und nervlichen
Belastung bei einem Arbeitstag weit über dem Normalen. Und tatsächlich entspricht
es ja in keiner Weise den in der Wirtschaft und im Finanzsektor gezahlten
Spitzenverdiensten. Doch was bedeutet dies?
Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist da seinen
Parteifreunden im Denken weit voraus. Bereits im Jahre 2008 zog er wegen der
„ansteckenden Habgier“ „eine obere Begrenzung der Bezüge für Spitzenmanager“ in
Betracht, gemessen an den Bezügen eines Bundeskanzlers. Steinbrück scheint ihm
bei den gemeinsamen Gesprächen am Schachbrett nicht gut zugehört zu haben. Sollte
man denn mit einem Gehalt um die 15.000 Euro pro Monat nicht komfortabel
zurechtkommen – auch als Manager? Der neue Kandidat für die größte
Machtbefugnis in diesem Lande möchte sein eigenes Gehalt erhöht wissen. Er
sollte besser mit der Macht, die ihm möglicherweise zu Teil wird, anstreben, die
Gehaltsrelationen zwischen Staat und Wirtschaft mit den objektiven
Erfordernissen einer materiellen Stimulierung sowie einer kontinuierlichen
Geld- und Warenzirkulation dadurch in Einklang zu bringen, dass auf Kosten
der Selbstbediener in den Vorständen und Aufsichtsräten gespart wird.
Dies wäre keine Frage der Gerechtigkeit, wie oft
argumentiert wird, sondern der ökonomischen Notwendigkeit. Denn Gehälter
oberhalb der vom Altbundeskanzler in Erwägung gezogenen Marge können wohl auch für
einen luxuriösen Lebensunterhalt nicht Monat für Monat auf Dauer ausgegeben
werden. Man stelle sich nur einmal vor, statt des Geldes würden immer wieder
entsprechende Sachwerte, die es letztendlich vertritt, ausschließlich für den persönlichen
Verbrauch zur Verfügung gestellt. In solchem Falle sollte der Nimmersatt sich
ruhig bedienen können und in seinem Kram
ersticken. Steinbrück aber möchte sicherlich gar nicht noch mehr konsumieren.
Er will den Bedürftigen gegen Zins und Zinseszins leihen – nicht um seine
Bedürfnisse immer umfassender befriedigen zu können, sondern um seine Sucht,
seine krankhafte Gier nach Geld zu stillen.
Schon als Finanzminister der großen Koalition legte
der jetzige Hoffnungsträger der SPD nach der Lehman-Pleite die
„Finanzindustrie“ nicht an die Kandare. Vielmehr schützte er sie als deren
Lakai vor dem Zusammenbruch und vor dem allgemeinen Volkszorn, indem er für
ihre Rettung Steuergelder in nie gekannter Höhe einsetzte. An der Seite seiner
Kanzlerin verteilte er Beruhigungspillen mit dem „Versprechen“, das Geld der
Sparer sei sicher. Wortgewaltig verkauft wurde das Ganze über die
Medienindustrie als gelungenes Management der Krise. In Wirklichkeit war es die
Gegenleistung (oder war es eine Vorleistung?) für fürstliche Vortragshonorare.
Nun will der Bock endgültig zum Gärtner erkoren werden.
Ob diese Rechnung aufgeht? Titelverteidigerin Merkel
jedenfalls erstrahlt durch Steinbrücks maßlosen, schnöden Materialismus (in des
Wortes vulgärer Bedeutung) im Lichte eines selbstlosen Idealismus. Wie eine
gute Landesmutter, die sich selbst zurückhält und nur für das Wohl ihres
Volkes sorgt, steht sie da. Und im Hintergrund reiben sich ihre
Lieblingskinder die Hände. Vor allem die aus dem Finanzwesen! Ihnen kann der
diesjährige große Wahlausgang, die Entscheidung der Vielen, gleichgültig sein.
Denen wird in Zukunft so oder so dasselbe
Schicksal blühen - gehupft wie gesprungen! Auch Frau Merkel wird die
Privilegien der Reichen, ihre Rechte im Umgang mit Geld und Gut, nicht
antasten.
Dereinst hieß es im Parteijargon des späteren
„Beitrittsgebiets“ Deutschlands: „Spare mit jedem Pfennig, jedem Gramm Material
und jeder Minute!“ Und der Volksmund setzte hinzu: „Koste es was es wolle!“ Nun
gilt das wieder – sogar im ganzen Deutschland und europaweit. Und mit noch
schlimmeren Folgen kann das (im gemeinten Sinne) heute nur in ein noch
schlimmeres Desaster führen. Denn nicht im Umgang mit unseren natürlichen
Ressourcen soll nun gespart werden. Im Gegenteil! Wirtschaftswachstum um jeden
Preis gilt als oberstes Ziel allen Denkens und Handelns derer, die derzeit für
das Wirtschaften in Deutschland und Europa die Weichen stellen. Sparen soll die
große Masse der Verbraucher all des erzeugten Reichtums. An diesem tatsächlich
„systemrelevanten“ Widerspruch wird, ja muss der Irrsinn der hinter Merkel und Steinbrück stehenden Finanzmafia –
hoffentlich früher als später – ein Ende nehmen.
Unbeantwortet im Raum steht noch die Frage, wer denn
über Bezüge von Politikern zu entscheiden hätte. Wer stünde über den
Politikern? Möglicherweise unser Grundgesetz! Dieses scheint in hohem Maße
reformbedürftig zu sein, unter anderem dahingehend, dass es die Volkswirtschaft
und volkswirtschaftlich relevantes Handeln zu einer öffentlichen Angelegenheit
erklärt und ihm einen grundgesetzlichen Rahmen gibt. Die Zeit dafür, das zeigt
sich von Jahr zu Jahr deutlicher, ist überreif
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