Sonntag, 7. August 2011

Schuldenkrise – A. Fishers „Panzerfaust“

Schuldenkrise – A. Fishers „Panzerfaust“
Adam Fisher, Investment-Chef des Hedge-Fonds Commonwealth Opportunity Capital, prophezeite jetzt laut „Handelsblatt“ Panik an den europäischen Finanzmärkten. Die Märkte, meint er, werden nichts Geringeres mehr akzeptieren als etwas, was er die „Panzerfaust-Lösung“ nennt: Eine „ganzheitliche Lösung“.Das klingt nicht schlecht. Doch was der Spekulant (sein Fonds wettete vor gut einem Jahr auf einen fallenden Euro) darunter versteht, dürfte sich über kurz oder lang tatsächlich als Panzerfaust entpuppen, eine Waffe, deren Feuerstrahl nach hinten losgeht.
Denn eine „vollständige fiskalische Einheit Europas“ nach dem Geschmack von A. F., hergestellt durch die Ausgabe von Euro-Bonds (Anleihen der EU-Staatengemeinschaft), würde nichts weiter als eine weitere Amerikanisierung des europäischen Finanzsystems bewirken. Man vergrößerte nur die Dimensionen der Finanzspekulation, ganz im Interesse auch von A. Fisher. Das eigentliche Problem aber, dass die Erfüllung staatlicher Aufgaben und deren Finanzierung vom Spiel- und Spekulationstrieb, von der Gier wohlhabender Privatpersonen und Gesellschaften (China dürfte vor allem aus politischem Interesse massenhaft amerikanische Staatsanleihen horten)  abhängen, bliebe bestehen. Zweitens: Eine massive Intervention der Europäischen Zentralbank (EZB), was Fisher sich auch vorstellen könnte, wäre nur die Nachahmung der US-amerikanischen Variante staatlicher Schuldenpolitik. Und drittens übrigens: Die EZB ist bereits auf dem besten Wege dahin. Gerade wurde mitgeteilt, dass die europäische Notenbank nun doch wieder Staatsanleihen von EU-Ländern aufkaufen werde. Bereits vor zwei Jahren erreichte der Schuldenstand der Euro-Staaten insgesamt mehr als sieben Billionen Euro (rund 80 % des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von knapp neun Billionen Euro). Wenn nun den Amerikanern „nachgeeifert“ wird (auch die amerikanische Fed steht angesichts der sehr mauen Wirtschaftsentwicklung und vor allem der weiter stark angespannten Lage auf dem US-Arbeitsmarkt wieder unter öffentlichem Druck, eine weitere Runde von Staatsanleihenkäufen einzuläuten – bei einem neuesten Höchststand der US-Staatsverschuldung bei 14,58 Billionen Dollar, während das BIP der größten Volkswirtschaft der Welt im vergangenen Jahr bei 14,53 Billionen Dollar lag), scheint eine ganzheitliche Lösung des europäischen staatlichen Schuldenproblems noch in weiter Ferne zu liegen. Wie eine solche im Prinzip aussehen könnte, wurde in Nr. 15 des „Blättchens“ anzudeuten versucht.


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Autor: Kay
Kommentar:
Sehr geehrter Heerke Hummel,
können Sie als von mir geschätzter Autor zu volks- und weltwirtschaftlichen Fragen mal erklären, wer eigentlich all die Aktien, Anleihen etc. kauft, die derzeit so massenhaft abgestoßen werden? Ohne Käufer könnte es ja die "panikartigen" Verkäufe nicht geben.
Für eine knapp Erläuterung wäre ich Ihnen jedenfalls dankbar, Kay

Lieber (Herr?) Kay! Eigentlich müsste ich Ihre Frage einfach verneinen. Denn ich kenne weder die Verkäufer noch die Käufer. Wahrscheinlich sind sie (allein schon aus Gründen des Datenschutzes) auch gar nicht festzustellen. Zur Auflösung des scheinbaren Widerspruchs hier nur kurz Folgendes, wobei ich klarstellen muss, dass ich kein Finanz- und Börsenfachmann bin, ganz im Gegenteil.
Kauf und Verkauf von Wertpapieren stellen an sich, ursprünglich, eine besondere Form des Sparens, Aufbewahrens von Reichtum dar bzw. des Ansammelns von Kapital zur Finanzierung großer unternehmerischer Projekte, wobei sich die Wertsumme durch Zinsnahme, Dividende usw. (ich sage durch Ausbeutung) vermehren soll. Da die Marktpreise dieser Papiere, die Kurse, wie die aller Waren je nach Angebot und Nachfrage schwanken, liegt hier ein weites Feld möglicher Spekulation, um auch aus den Kursunterschieden Gewinn zu ziehen – allerdings mit dem Risiko des Verlierens, wie bei allen Spielen.
Längst nicht alle Käufer oder Verkäufer sind Spekulanten. Aber auch sie haben irgendwelche Gründe für ihr Kaufen und Verkaufen – weil sie Geld anlegen wollen oder Geld für andere Zwecke brauchen. Die Spekulanten dagegen sind Spieler. Und wie beim Roulette gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Kurse fallen, oder sie steigen (gleichbleibende Kurse sind uninteressant weil folgenlos). Und die einen wetten auf steigende, die anderen auf fallende Kurse. Doch im Unterschied zum Roulette stellen sie dabei die unterschiedlichsten Überlegungen an und kommen zu ganz verschiedenen Einschätzungen der Lage und künftiger Entwicklungen, je nach ökonomischer Bildung und Information, auch über Finanzmanipulationen usw. Außerdem treffen heute meist nicht mehr die Akteure unmittelbar die Entscheidungen über Kauf und Verkauf von Wertpapieren, sondern Computer. Die sind mit Befehlen gefüttert, bei Erreichen bestimmter Kurswerte automatisch zu handeln. So werden in Bruchteilen von Sekunden, und mit der Irrationalität eines Schwarmverhaltens ähnlich dem in der Natur, Entscheidungen über Unsummen von Finanzwerten in aller Welt getroffen, die jeder sachlichen Gesamteinschätzung der Lage in der Welt und jeder vernünftigen Zielstellung entbehren. (Bei den Hedgefonds beispielsweise weiß kaum noch jemand, was da eigentlich warum geschieht. Das ist auch ganz unwichtig, wenn nur der Gewinn sprudelt.)
Die Weltwirtschaft ist zum Aktionsfeld von Computerspielen geworden, die gesteuert werden von der Gier nach finanziellem Reichtum, ausgedrückt in Zahlen, die in ihren Billionen-Beträgen nur noch zerstörerische Sinnlosigkeit darstellen, mit den bekannten Folgen wie Energiekrise, Umweltkrise, Hunger, Armut, daraus resultierender Gewalt usw. Wirtschaften, Haushalten, ist zur extremen Misswirtschaft illusionären Wirtschaftswachstums verkommen, weil alle Akteure bei Strafe ihres Untergangs gezwungen sind, den Befehlen der allgemeinen Gier zu gehorchen, das eigene Gewissen und die ökonomische Vernunft dagegen zu ignorieren.

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