Montag, 29. August 2016

Noch eine Bemerkung zum Gold



(Bezüglich Klaus Müller, „Das Blättchen“, Nr. 17/2016)
(Erschienen am 28. 8. 2016 in: http://das-blaettchen.de/forum.html)
Der Autor fragt: „…wie erging es dem Gold seit dem denkwürdigen Tag im August vor 45 Jahren?“ – Um gegen Ende seines Beitrages festzustellen: „Gold hatte seine währungspolitische Bedeutung bewahrt; es war nach wie vor begehrt. Nur so ist der Rücktritt von der Umtauschpflicht logisch, und es wundert, dass der Mehrheit der Währungsexperten dieser naheliegende Grund bis heute nicht aufgegangen ist.
Ja, als ganz besondere, weitgehend wertbeständige und jederzeit tauschbare Ware blieb es was es gewesen war: ein Edelmetall mit all seinen begehrten Gebrauchseigenschaften. Wegen dieser Eigenschaften hat es zwar auch seine währungspolitische Bedeutung bewahrt, doch diese Währungspolitische Bedeutung dürfte es wohl kaum gewesen sein, was den Bruch des Abkommens von Bretton Woods durch die USA „logisch“ machte. Es war doch wohl vor allem die Gefahr des Totalverlusts eines ungeheuren sachlichen Reichtums und universellen Schatzes, was die USA zu diesem Schritt veranlasste. Hätten sie diese Gefahr 1944 für Real gehalten, so dürften sie ihr Gold wohl kaum als Basis eines internationalen Währungssystems zur Disposition gestellt haben. Nur dank ihres Goldes konnten sie sich das Vertrauen aller Partner des Abkommens erschleichen und auf deren Kosten ihre imperiale Politik durch ungeheure Verschuldung finanzieren. Doch der Krug – um mit Heinrich von Kleist zu sprechen – ging so lange zu Wasser, bis er brach. Gerade mal 27 Jahre.
Für mich ist die noch spannendere Frage: Wie erging es dem tatsächlich zirkulierenden (papiernen und elektronischen) Geld nach jenem „denkwürdigen Tag im August“? Was war aus ihm geworden? Rein äußerlich nichts Neues! Doch sein Wesen hatte sich vollkommen verändert. Aus einem Bezugsschein auf Gold hatte es sich in einen Anspruch auf Wert schlechthin, gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeit verwandelt. Und mich wundert vor allem, dass gerade dies der professoralen Wirtschaftswissenschaft bis heute nicht bewusst geworden zu sein scheint – mit all seinen ökonomischen und wirtschaftspolitischen Konsequenzen. Zu diesen gehört besonders eine ganz neue, regulierende wirtschafts- und geldpolitische Verantwortung der Zentralbanken und des Bankensystems als gesellschaftlicher Institution überhaupt. Unser Geld war – nicht erst damals, aber damals endgültig und eigentlich offensichtlich – aus einer Ware (wenn auch Geldware) zu einem gesellschaftlichen Dokument geworden, das allem Wirtschaften den privaten Charakter auch formal genommen hat. Und schließlich ist festzustellen: Aus einem System von Millionen privaten Betriebsabrechnungen ist ein System gesellschaftlicher Buch- und Rechnungsführung über Wirtschaftseinheiten hervorgegangen, die mit einem hohen Grad von Eigenverantwortung tätig sind. Nichtsdestotrotz hat in diesem neuen System die Allgemeinheit alle Konsequenzen des Wirtschaftens zu tragen: egal, ob es sich beispielsweise um die Nachfolgekosten der Atommüllentsorgung bei der Energiegewinnung handelt oder um die Kosten der Nutzung von Solar- und Windenergie oder um die Kosten des jüngsten VW-Skandals. Alle Kosten kommen irgendwann beim Endverbraucher und Steuerzahler an.
Doch das Erstaunlichste von allem ist, dass noch immer der Glaube dominiert und regiert, Kapitalverwertung, Verwandlung von Geld in mehr Geld, könne ein vernünftiges und effizientes Ziel gesellschaftlicher Produktion sein, dass Spekulation auf Märkten aller Art noch immer als Möglichkeit der Einkommensvermehrung sogar von Staatshaushalten, Lebens- und Rentenversicherungen geachtet statt geächtet wird.