Mittwoch, 22. Oktober 2008

Randbemerkungen zu Oskar Negt

In seinem Interview „Die Logik des Kapitals“ im ND v. 5. Mai 2005 zum 190. Geburtstag von K. M. formulierte O. Negt unter anderem:

"Heute begreifen immer mehr Menschen, dass diese untergegangenen Staatssysteme (des Realsozialismus – H. H.) nicht die Marxsche Vision von Sozialismus auf den Weg brachten, sondern etwas ganz Anderes, dieser Vision Gegenläufiges."

Die Zentrale Planung entsprach sehr wohl der Marxschen Vision! Auch die Diktatur des Proletariats! Marx und Engels waren auch nicht gerade zimperlich in ihren Äußerungen. Und was ist eigentlich mit China? Dieses „Staatssystem“ ist nicht untergegangen. Man darf sicher nicht so pauschalisieren. Woher sollen wir eigentlich wissen, welche Visionen M. und. E. hatten? Man muss wohl anders an die Sache heran gehen und begreifen, dass die beiden natürlich eine andere Vorstellung haben mussten, weil die weitere technische, ökonomische und politische Entwicklung der Welt überhaupt nicht absehbar war. Wie immer ihre Vision ausgesehen haben mag – sie konnte sich in ihren konkreten Erscheinungen gar nicht erfüllen und musste insofern wie jede Vorherschau eine Utopie bleiben.



"Was gegenwärtig stattfindet, ist eine kapitalistische Durchdringung aller Gesellschaftsbereiche in Form der totalen Kommerzialisierung und Privatisierung, auch der Plünderung der öffentlichen Güter der Gesellschaft. Die dem Kapitalismus innewohnende Marktbezogenheit, die es immer gab, unterscheidet sich heute von früheren Formen dadurch, dass ihr keine Barrieren mehr entgegen gesetzt werden."

Die Marktbezogenheit ist gut, weil sie alle Entscheidungen objektiviert, den Subjektivismus im Kosten-Nutzen-Denken mindert oder beseitigt. Das Problem sind die „Kapitaleinkünfte“ als Ziel und Bedingung allen Handelns, die reine Geldvermehrung.

"Berechtigt ist die Kritik (an Marx – H. H.) darin, dass Marx ein zu starkes Vertrauen in die emanzipative Funktion der Produktivkräfte hatte, einschließlich der technischen Entwicklung. Diese Konstruktion von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, die ein sprengendes Element enthalten sollte, bewahrheitete sich nicht, sondern die Produktivkräfte erzeugten ihre eigenen Produktionsverhältnisse. Adorno verwies sehr früh auf den Widerspruch zwischen entfalteten Produktivkräften und traditionellen Eigentums- und Produktionsverhältnissen."

Abgesehen davon, dass er sich hier selber widerspricht: Es waren die Produktivkräfte der Gesellschaft, die eine Veränderung der Eigentums- und Produktionsverhältnisse erforderten und erzwangen; und zwar hinter dem Rücken der Gesellschaft und auch von O. Negt, der auch noch überall Privates zu sehen bereit ist, wo Privates reklamiert und behauptet wird, obwohl es der Natur der Sache nach längst vergesellschaftet und nicht mehr privat ist. Form und Inhalt, Wesen und Erscheinung, Bezeichnung und ökonomischer Hintergrund müssen unterschieden werden!

"Wenn es sich so verhält, wie manche Finanzexperten berechnen, dass auf 250 bis 300 Dollar Devisen- und Finanztransaktionen ein Dollar wirklicher Warenverkehr kommt und damit diese Transaktionen gar nichts mehr mit wirklicher Erzeugung von Gütern und Waren zu tun haben, dann fällt es nicht schwer sich vorzustellen, wie brisant der Zusammenbruch einer großen Bank ist."

Ich stelle mir in erster Linie vor, dass dies alles eben mit Warenproduktion und Kapitalismus - denn der Kapitalismus, den Marx analysierte, war Warenproduktion - nichts mehr zu tun hat. Wir brauchen daher eine neue Analyse der heutigen (Finanz-)Gesellschaft!

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