Montag, 22. Oktober 2007

Der Wunsch als Vater des Gedanken

In den ähnlichen Äußerlichkeiten der Gesellschaft von heute im Vergleich mit der des 19. Jahrhunderts - Jagd nach Gewinn, respektive Profit, als subjektives Ziel allen unternehmerischen Handelns - sehen „Marxisten“, alten Dogmen getreu, das Weiterbestehen der kapitalistischen Produktionsweise, d.h. der kapitalistischen Warenproduktion und Ausbeutung. Denn die Marxsche Erkenntnis ist ihnen heilig.Durch Abstraktion schloss Marx von den Erscheinungen auf das Wesen der bürgerlichen Produktionsweise und erklärte den Kapitalismus als die bürgerliche Form der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, indem er zeigte, dass und wie das Mehrprodukt hier auf der Grundlage des Warenaustausches die Form des Mehrwerts annimmt.

Später machten die „Marxisten“ diese richtige Erkenntnis von Karl Marx zum dogmatischen Lehrsatz und Glaubensbekenntnis, jede Infragestellung unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen tabuisierend. Immer wieder erklärten sie auch neue Verhältnisse mit diesem Dogma, suchten in den neuen Erscheinungen nur seine Bestätigung, anstatt durch erneute Abstraktion nach dem neuen Wesen einer neuen Gesellschaft zu forschen.

Quintessenz: Der Wunsch ist der Vater des Gedankens, denn jeder findet, was er sucht. In den ähnlichen Äußerlichkeiten der Gesellschaft von heute im Vergleich mit der des 19. Jahrhunderts (Jagd nach Gewinn, respektive Profit, als subjektives Ziel allen unternehmerischen Handelns) sehen die „Marxisten“ das Weiterbestehen der kapitalistischen Produktionsweise, d.h. der kapitalistischen Warenproduktion und Ausbeutung. Denn die Marxsche Erkenntnis ist ihnen heilig. Würden sie in der heutigen Produktionsweise das Wesen der veränderten Gesellschaft suchen, könnten sie durch Abstraktion von den äußerlichen Ähnlichkeiten erkennen, dass wir es heute dem Wesen nach mit einer neuen, nämlich mit einer Finanz-Gesellschaft zu tun haben, in der sich das Geld aus einer Ware mit Wert und Gebrauchswert in ein Arbeitszertifikat verwandelt hat und das gesellschaftlich erzeugte Produkt gesellschaftlich, von der Gesellschaft als ganze, konsumiert wird - wenn auch (wiederum nur im Wesentlichen) nach dem Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“, wobei sich infolge einer allgemeinen falschen Wahrnehmung der Wirklichkeit zu diesem Zweck der Staat und ein Großteil der Bürger verschulden müssen. Freilich fällt diese Einsicht nicht leicht, scheinen doch heute noch die Merkmale der alten Gesellschaft (Marx sprach in seiner Kritik des Gothaer Programms von deren Muttermalen) zu dominieren und nicht die der neuen. Aber so ist das nun mal: Abstraktion von den Erscheinungen (um auf deren Wesen zu schließen) bedeutet eben gerade nicht, dass man sich an Erscheinungen festhält und diese vergleicht. Abstrahieren ist nicht Sinnes-, sondern Denkarbeit.

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