Donnerstag, 22. Oktober 2009

Ökonomie – eine Wissenschaft vom Irrationalen?

Kommentar zu einem Interview von Peter Sloterdijk in der Neuen Zürcher Zeitung (29. 11. 2008) - Von der Online-Redaktion der NZZ nicht ins Net gestellt!

Eine schöne Sprache und etliche interessante Gedanken! Als in der DDR ausgebildeter Volkswirt muss ich aber Ihnen, Herr Sloterdijk, wie auch einigen Kommentatoren in Einem widersprechen: Man muss nicht, wie Sie meinen, „die Wirtschaftswissenschaften als Wissenschaften vom Irrationalen rekonstruieren“, sondern, im Gegenteil, überhaupt erst von ihrem Irrationalismus, den sie als „bürgerliche“, nach-marxsche Wissenschaften an den Tag legten, befreien!



Denn ungeachtet ihrer gelegentlichen mathematischen Aspekte waren sie mit ihren Erklärungen ökonomischer Erscheinungen, insbesondere was beispielsweise das Wesen von Ware, Wert und Geld (von Lohn und Arbeitskraft ganz zu schweigen!) in der bürgerlichen Gesellschaft betrifft, zutiefst irrational. Gerade daraus erklärt sich die ganze Idiotie, die in den letzten Jahrzehnten, ja im ganzen vorigen Jahrhundert in der Ökonomik der westlichen Welt zu beobachten war. Ich wollte meinen Ohren nicht trauen, als ich mir nach der „Wende“ an der Potsdamer Universität eine Vorlesung über Geldtheorien anhörte und der erste Satz von Prof. Dr. Fuhrmann lautete: „Was Geld ist, kann man eigentlich nicht erklären.“ Und was dann an Erläuterungen über die Entstehung von Geld durch Kauf, Kredit und Verkauf folgte, war alles andere als rational – pure Beschreibung dessen, was an der Oberfläche der bürgerlichen Ökonomik uns als Erscheinung gegenüber tritt. Kein gedanklicher Ansatz, einmal durch Abstraktion auf das Wesen der Sache zu schließen oder die Theorie aus der Historie des Warenaustausches abzuleiten! In einem Kommentar für den „Vorwärts“ bezeichnete ich denn auch die große Krise der Banken als eine Krise der Wissenschaft. Letztere ist mit ihren Illusionen, die sie verbreitet, die eigentlich Verantwortliche für die Illusionen über das Geld- und Finanzsystem, denen sich Unternehmer, Banker, Politiker und diese ganze Gesellschaft hingeben, wenn sie wie im Fieberwahn spekulieren und Finanzberge anhäufen. Der jetzige Bundesfinanzminister Dr. Schäuble meinte im November 2008 in Berlin auf einer Luther-Konferenz in Hinblick auf die aktuelle Krise, uns bleibe nichts weiter übrig als weiterzumachen wie bisher, nach der Methode „Versuch und Irrtum“. Mit Geist und Rationalität hat das alles doch wohl wenig zu tun.

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