Montag, 5. November 2007

Zins als Anachronismus

Bemerkung zu: „Seltsame ‚Freiwirtschaft’“ von Heiko Langner, (ND, 27./28. Oktober 2007)

(Veröffentlicht in: "Neues Deutschland", 5. November 2007, S. 14)

Langners Kritik an der „Freiwirtschaft“ sollte nicht dazu verführen, den Zins in unserer heutigen Gesellschaft zu rechtfertigen. Langner irrt, wenn er meint, es seien „schlichtweg die Produktionsmethoden einer kapitalistischen Marktwirtschaft, die zur Entstehung eines Zinses führen …“.


Der Zins ist wohl so alt wie das Geldwesen, das den Warenaustausch schon in den Feudal- und Sklavenhaltergesellschaften begleitete. Vertrat das Papiergeld bis zur Kündigung des Abkommens von Bretton Woods durch die USA im Jahre 1971 wenigstens noch die eigentliche Geldware (Gold), so ist es seitdem zu einem reinen Arbeitszertifikat, Bestätigung für geleistete Arbeit, geworden, hat also mit Warenaustausch im ursprünglichen Sinne gar nichts mehr zu tun. Wir leben bereits in einer ökonomisch gesehen ganz neu strukturierten Gesellschaft. Das Geld selber als solches drückt schon eine Kreditbeziehung aus. Es bescheinigt mit staatlicher Autorität, dass sein Empfänger, der Verkäufer, Arbeit (in lebendiger oder vergegenständlichter Form) für die Gesellschaft geleistet bzw. gegeben hat, ohne sogleich ein tatsächliches (Waren-)Äquivalent aus dem Fonds realen gesellschaftlichen Reichtums bezogen zu haben. Und es postuliert einen entsprechenden individuellen Anteil an diesem Fonds. Dieser Anteil existiert in sachlicher Form mit begrenzter Lebensdauer, muss also verbraucht werden. Ein Anachronismus ist es daher, demjenigen, der seinen Anteil nicht verbraucht (nicht verbrauchen kann – wie der Großteil der „Besserverdienenden“) und daher dem Verfall überlässt (bzw. den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess stört), dafür auch noch einen Zins zu zahlen, demjenigen aber, der diesen Anteil aus Bedürftigkeit auf Kredit konsumiert, dafür einen Zins abzuverlangen, zumal ihn die Rückzahlung ohnehin genügend belastet, wodurch das dahinter sich verbergende Verteilungsproblem nur verstärkt und in die Zukunft verlagert wird. Die zum großen Teil spekulative Vermehrung des Geldes (als Bescheinigung für geleistete gesellschaftliche Arbeit) aus sich selbst heraus gehört zu den wesentlichen Ursachen der ökonomischen Ungleichgewichte in der heutigen Welt. Erforderlich ist, das gesamte Finanzsystem, und damit auch das Geldwesen, der Vernunft einer gesellschaftlichen Kontrolle zu unterwerfen.

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