Montag, 20. Februar 2006

Herrn Dennis Snowers Umwälzung der Weltwirtschaft

(Erschienen in: „Das Blättchen“, Nr.4, 20. Februar 2006)

Ich rede ihn mit „Herr“ statt „Mister“ an, obwohl er Amerikaner ist. Denn erstens klingt das gut, weil es an Friedrich Engels` Polemik gegen Eugen Dühring erinnert, und zweitens lebt Snower zurzeit in Deutschland, wo er in Kiel seit geraumer Zeit das namhafte Institut für Weltwirtschaft leitet. Warum er ausgerechnet in dieser Funktion kürzlich einer nicht weniger bekannten Tageszeitung aus Frankfurt (FAZ 20.01.06) ein Interview zum Thema „Kombilohn“ gab, erkläre ich mir damit, dass er die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – wozu diese Lohnform beitragen soll – richtigerweise als ein weltweites Problem und insofern als einen Aspekt der Weltwirtschaft ansieht. Interessanter als dieser oder vielleicht andere Gründe für seine Einmischung in die deutsch-nationale Diskussion um „richtige“ Lohnformen sind seine Auslassungen zur Sache selbst.



Neugierig wurde ich durch die Überschrift „Gutscheine könnten Arbeitslosigkeit bedeutend senken“. Nanu, dachte ich, will man jetzt den „abhängig Beschäftigten“ wie vor einiger Zeit und mancherorts den Asylbewerbern statt Geld Gutscheine aushändigen, damit sie nur dies und das oder hier und dort kaufen, ihr Geld nicht sonstwohin, womöglich ins Ausland tragen können? Dann fiel mir ein, dass in den ersten Nachkriegsjahren uns Kindern in der Schule Bezugscheine ausgehändigt wurden, mit denen die Eltern zum Beispiel ein Paar Schuhe oder einen Trainingsanzug für uns kaufen konnten. Später in der DDR und bis zu deren Ende konnte man so ein Anrecht auf ein Auto oder eine Neubauwohnung erwerben. So manches Kombinat (oder auch „privilegierte Institution“) versuchte auf diese Weise, sein Arbeitskräfteproblem zu lösen, das aber in einer genau entgegengesetzten Zwangslage im Vergleich zur heutigen bestand, nämlich in einem Arbeitskräftemangel. Das konnte also wohl angesichts des derzeitigen allgemeinen Überflusses an Gütern aller Art und von Arbeit nicht gemeint sein mit der Titelankündigung. Und dennoch las ich einigermaßen überrascht von einer ganz neuen Gutscheinart. „Beschäftigungsgutscheine“ will der kluge Amerikaner ausgeben lassen. „Der Wert solcher Gutscheine“, schlägt er vor, „würde mit der Länge der Arbeitslosigkeit zunehmen. Jeder Arbeitslose bekommt einen Gutschein, den er bei einer Arbeitsplatzzusage an den Arbeitgeber weiterreichen kann. Das Unternehmen kann damit seine Lohnkosten senken.“

Na, also! Darum geht es! Mit den Steuern der Allgemeinheit nicht etwa durch mehr Verbrauch mehr Markt und Nachfrage und damit wirklich mehr Beschäftigung zu erzeugen, ist der Sinn der Übung, sondern die Kosten der Unternehmen zu senken und ihre ohnehin übervollen Kassen, deren Inhalt schon heute spekulativ an die Börse wandert, noch weiter zu bedienen. Ist es Dummheit oder böse, skrupellose Absicht?

Mit dem snowerschen System sollen Beschäftigungsanreize geschaffen werden. Und: „Natürlich stiegen die Anreize, wenn man die Grundsicherung senkte“, meint der Erfinder. Genial! So könnte der Staat gleichzeitig auch noch bei den Sozialausgaben sparen. Fast ein Perpetuum Mobile – wären da nicht die Menschen. An sie denkt Snower schließlich doch noch. Man sollte ihnen „nicht unnötig wehtun!“ Tierschützer sollten ihn als Vereinsmitglied werben!

Reicht es Ihnen, lieber Leser? Nein? Na denn! Der mit der heutigen Ausbildung in Deutschland ebenfalls zu Recht unzufriedene Weltwirtschaftler schlägt daneben auch noch „Ausbildungsgutscheine“ vor. Er möchte, „dass der Staat Ausbildungsgutscheine austeilt, die dann bei unabhängigen Anbietern eingelöst werden können. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, umso höher sollte der Wert des Gutscheins sein.“ Alles dies natürlich wieder zu Lasten der öffentlichen Kassen und zum Nutzen der Unternehmen!

Stellt sich die Frage: Wäre das nun (Neo-)Liberalismus oder Staatsverwaltungswirtschaft niederer Art? Lernen könnte Herr Snower allemal von den DDR-Oberen. Auch wie man eine Volkswirtschaft bürokratisch gegen den Baum fährt. Hat er das noch nicht bemerkt? Offensichtlich nein, denn er beruft sich ausdrücklich auf Beispiele aus den USA, mit denen er die Welt bereichern zu wollen scheint. Dass dort Dutzende Millionen wenig oder gar nicht qualifizierte Arbeitslose mehr vegetieren als leben, scheint ihm (neben vielen anderen Defiziten der „Supermacht“) ebenfalls noch nicht aufgegangen zu sein. Solche nationalen Nebensächlichkeiten können jemandem, der die Weltwirtschaft im Gesichtsfeld zu haben hat, natürlich schon mal aus dem Blick geraten!

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