Freitag, 10. Juni 2005

Warum ein bedingungsloses Ja zur linken Einheit?

(erschienen in: „Neues Deutschland“, 10. Juni 2005, S. 15)

Bereits seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts leben die Industrieländer in einer veränderten Welt, deren ökonomische Grundbeziehung nicht mehr der Austausch von Waren ist.


Denn mit der Kündigung des Abkommens von Bretton Woods durch die USA im Jahre 1971 verloren die Währungen ihren Goldstandard. Damit ist das Geld nicht nur kein Gold, sondern vertritt auch keines mehr. Es ist nicht mehr „allgemeine“ Ware, sondern ein staatlich sanktioniertes Arbeitszertifikat, das einen Anspruch auf Teilhabe am Ergebnis der gesellschaftlichen Produktion, am Produktivvermögen der Gesellschaft verspricht. Die Kündigung des Abkommens von Bretton Woods war also der Schlusspunkt eines rund hundertjährigen evolutionären Entwicklungsprozesses des Geldes, mit dem die Eigentumsverhältnisse am Produktivvermögen der Gesellschaft revolutioniert wurden, dieses Produktivvermögen vergesellschaftet wurde. Der Staat als Herausgeber des Geldes trägt die Hauptverantwortung dafür, dass dieses Geld seiner Funktion als Mess- und Verteilungsinstrument im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess gerecht wird. Und um dieser Verantwortung gerecht zu werden, muss er durch sein Eingreifen das Funktionieren des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses sichern und tut das seit langem und in zunehmendem Maße. Unsere Produktion und unser gesamtes Leben haben also schon lange eine neue Stufe von Gesellschaftlichkeit erreicht, auf der es nicht mehr darauf ankommt, in einem revolutionären Akt die Eigentums- und sonstigen ökonomischen Grundverhältnisse umzuwälzen (das hat sich alles spontan vollzogen), sondern mit der staatlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik den veränderten ökonomischen Bedingungen und Erfordernissen eines globalisierten Reproduktionsprozesses der Menschheit Rechnung zu tragen.

Jeder, der das heutige Geld – in welchen Mengen auch immer – sein eigen nennt, sitzt mit diesem Finanzvermögen in demselben Boot wie alle anderen. Objektiv sind alle, die dieses Geld besitzen, in der gleichen Weise am Funktionieren des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses interessiert, weil sich nur dann ihr Finanzreichtum in sachlichen Realreichtum verwandeln lässt. Dieser objektiven, grundsätzlichen Interessenharmonie in der Gesellschaft scheint die Realität mit ihren Kämpfen in den Parlamenten und der gesamten politischen Sphäre vollkommen zu widersprechen. Der Widerspruch resultiert aus der subjektiv falschen Widerspiegelung der objektiven Realität, aus der Allgemeinen Illusion vom Reichtum, welcher sich diese Gesellschaft als Ganze und jeder Einzelne bis heute hingibt, nicht sehend, dass alle Finanzwerte nicht wirklichen Reichtum im Sinne von bereits angeeigneter sachlicher Natur darstellen, sondern Versprechen auf Lieferung erst noch zu schaffenden sachlichen Reichtums. Doch dieses Versprechen kann nur eingelöst werden, wenn der gesellschaftliche Reproduktionsprozess funktioniert. Und er funktioniert nur, wenn verbraucht wird, was erzeugt wurde, wenn jeder ausgibt, was er eingenommen, verdient hat. Dies zu sichern – darauf reduziert sich letztlich die Aufgabe aller staatlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Dass darum in der Politik Verteilungskämpfe zwischen Armen und Reichen, zwischen Schuldnern und Gläubigern, geführt werden, die um so unsinniger sind, je mehr sie auf dem Irrtum, der Illusion der Vermögenden vom Reichtum, beruhen, ist verständlich.Dass aber das Lager der Armen, die Politische Linke, gespalten ist und sich nicht einigen kann, ist grotesk. Si e braucht für ihr politisches Wirken nichts weiter als den gemeinsamen Willen, im Parlament für eine Reformpolitik der ökonomischen Vernunft zu kämpfen. Sollte man sich darauf nicht als gemeinsames Programm einigen können?

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