Mittwoch, 22. Oktober 2003

Was Ihr Vermögen wirklich wert ist

Deutschland gehört zu den reichen Ländern der Welt. Hier gibt es viele Vermögende, und die Mehrheit der Bevölkerung gilt als wohlhabend. Nur wenige sind arm, aber selbst diese sind – an den Maßstäben der ärmsten Länder gemessen – wohlhabend, denn niemand muß hungern oder frieren. Dennoch - auch wenn Sie sich für vermögend halten, geben Sie sich keiner Illusion hin! Sie haben weniger, als Sie denken.



Wissen Sie, wo Ihr Vermögen herkommt und was es ist?
Im Lotto haben Sie es wohl kaum gewonnen. Wahrscheinlicher ist, daß Sie es geerbt oder durch Ihre Arbeit und Geschäftstätigkeit bzw. -tüchtigkeit erworben haben. Und auch das Ererbte wurde irgendwann von irgendwem durch Arbeit erzeugt – Arbeit, die letztlich die Quelle all unseres Reichtums ist. Durch Arbeit wandelten die Menschen über Jahrtausende hinweg die Natur um, passten sie ihren Bedürfnissen an, um sie konsumieren, um leben zu können. Daher ist Ihr Reichtum die Frucht Ihrer und Ihrer Vorfahren Arbeit.

Worin besteht Ihr Vermögen? In Bankguthaben? Bargeld? Aktien oder anderen Wertpapieren? In Immobilien? Antiquitäten und Kunstgegenständen oder Schmuck? Oder in Gold und anderen Edelmetallen? Die Formen Ihres Reichtums können sehr verschieden sein. Wie messen und beziffern Sie ihn aber? Jemand mag sagen: Ich bin Millionär. Während der Inflation in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren alle Deutschen Millionäre und trotzdem die meisten von ihnen arme Schlucker. Und heute? In Deutschland gibt es etwa 160.000 Millionäre (1995 gab die Vermögensteuerstatistik 155.000 an). Wir können sie als reich bezeichnen. Wer mehr als fünfzigtausend Euro sein Eigen nennt gilt als wohlhabend, und arm ist wohl, wer weniger als 2000 Euro besitzt und mit dieser Summe monatlich auskommen muß. Das ist meine Meinung, und andere mögen das anders sehen. Aber welche Maßstäbe wir auch immer anlegen – das Maß, mit dem Ihr Vermögen gemessen wird, ist die Größe seines Wertes, ausgedrückt heute und bei uns in Euro.

Was aber ist das, der Wert, der die Größe Ihres Vermögens misst? Er muss etwas sein, das in all Ihren verschiedenen Reichtümern steckt, quasi etwas all Ihren Reichtümern – Bankguthaben, Wertpapieren, Gold, Schmuck usw. – Gemeinsames. Dies ist die Arbeit, die für ihre Herstellung bzw. für den Erwerb all der Dinge notwendig war oder ist. Was die Menschen auf dem Markt der Waren, der Dienstleistungen und Finanzen austauschen, kaufen und verkaufen, sind letztendlich bestimmte Mengen von Arbeit - Arbeit nicht für sich selbst, sondern für den oder die Tauschpartner, also Arbeit für die Gesellschaft. Diese Arbeit wurde und ist in den Dingen, die ge- und verkauft werden, vergegenständlicht.

So weit so gut. Doch nicht alles, was Sie geerbt, gekauft oder durch Ihre eigene Arbeit erworben haben und Ihrem Reichtum zurechnen, ist bzw. enthält tatsächlich Wert, vergegenständlichte Arbeit. Nur was selbst das Produkt von Arbeit ist, besitzt Wert. Vieles ist nur ein Zeichen für Wert, vertritt diesen nur. Ja, sogar das Geld in seiner heutigen Gestalt und Konstitution vertritt nicht einmal mehr eine bestimmte Menge Wert, zum Beispiel Edelmetall, sondern ist lediglich ein Stück Papier mit dem – allerdings staatlich sanktionierten - Versprechen, gegen irgendwelche Waren eintauschbar zu sein.

Nun betrachten Sie einmal Ihr Vermögen Posten für Posten und beantworten sich die Frage, was davon wirklichen Wert darstellt, den Sie tatsächlich „in der Hand“ haben. Also:
  • Ihr Bargeld: Es ist nur ein (Liefer-)Versprechen, quasi ein Kredit, den Sie durch Ihre Lieferung bzw. Leistung von Arbeit anderen Menschen, also der Gesellschaft, gewährt und als Guthaben noch nicht durch den eigenen Bezug von Waren oder Leistungen eingelöst haben;
  • Ihre Bankkonten: Sie sind nur Versprechen auf Lieferung von irgendetwas zum entsprechenden Betrag Ihrer Konten;
  • Ihre Wertpapiere aller Art, einschließlich Versicherungen: Sie stellen nur Versprechen auf Werte dar;
  • Ihre Immobilien samt Einrichtungen: Sie sind dagegen echte Werte;
  • Ihre Sammlungen, Schmuck- und Kunstgegenstände sowie Edelmetalle und anderen dinglichen Sachen: Sie sind ebenfalls echte Werte.
Wahrscheinlich sind Sie nun enttäuscht, weniger als die Hälfte Ihres Vermögens als wirkliche Werte betrachten zu können, während sicherlich der größere Teil in „wertlosen“ Papieren besteht, und blicken voll banger Erwartung auf Ihre Guthaben bei irgendwelchen Banken und anderen Schuldnern und trösten sich mit der vagen Gewißheit, daß der Staat die Sache schon richten, Ihnen zu Ihrem Recht verhelfen wird. Vergessen Sie aber nicht: Der Staat gehört zu Ihren Hauptschuldnern! Seine Schuld gegenüber der Gesellschaft beläuft sich heute bereits auf rund 1,3 Billionen Euro - mit steigender Tendenz, trotz aller Sparversuche der Regierung. Das ist mehr als ein Drittel aller sogenannten „Geldvermögen“ der privaten Haushalte Deutschlands, die sich nach Angaben der Deutschen Bank am Ende vorletzten Jahres (2001) auf 3.653 Milliarden Euro beliefen und aus Bargeld, Spareinlagen, Sparbriefen, Termin- u. Sichteinlagen, Anlagen bei Versicherungen, Investmentzertifikaten, Rentenwerten, Aktien, Pensionsrückstellungen und sonstigen Beteiligungen bestanden. Und es ist mehr als das Doppelte des gesamten Volkseinkommens der Bundesrepublik im Verlaufe eines ganzen Jahres. Dessen Wert betrug im vorletzten Jahr (2001) 1.531 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Das ganze deutsche Volk müßte zwei Jahre „umsonst“, ohne jeglichen privaten Verbrauch arbeiten, um alle seine heute in Papieren jeglicher Art dargestellten „Schulden“ zu begleichen bzw. diese Gelder und sonstigen Papiere in wirkliche Werte zu verwandeln. Haben Sie nun eine Vorstellung von den Dimensionen der allgemeinnen Verschuldung und den Abstrichen, die Sie an ihrem Nominalvermögen vornehmen müssen, von den Risiken, mit denen der Großteil Ihres Reichtums behaftet ist?

Ich wollte Ihnen, lieber Leser, nicht die Freude an Ihren Schätzen nehmen, sondern Ihnen nur die Augen öffnen. Dabei habe ich zum Trost nun aber auch noch eine gute Mitteilung. Über Ihr wichtigstes und sicherstes Vermögen, das Ihnen niemand nehmen kann und das Ihnen wirklich sicher ist und Sicherheit gibt, haben wir noch gar nicht gesprochen: Ihr Denk- und Arbeitsvermögen, kurz Ihr geistiges Vermögen, Ihre Bildung in jeder Hinsicht. Dieses Vermögen im Sinne von Können ist seit jeher die Quelle allen menschlichen Reichtums in der Vielfalt des Wortsinns und wird es auch immer sein. Zur Panik besteht also gar kein Grund. Nur eine Lehre sollte Ihnen diese Botschaft sein: Hören Sie auf zu sparen, leben und bilden Sie sich von den Früchten Ihrer Arbeit! Denn darin besteht das Wesen des Menschseins. Arbeiten um zu leben macht nicht nur glücklich, bringt Befriedigung, sondern ist auch das Erfolgsrezept einer funktionierenden, florierenden Wirtschaft.

Erste Pflicht jeder Regierung ist es deshalb, allen Menschen zu ihrem Recht auf Arbeit zu verhelfen – und sei es, wenn allgemein wenig Arbeit notwendig, vorhanden ist, durch Reduzierung der gesetzlichen Arbeitszeit; nicht aber durch ihre Ausdehnung bis zum 67. Lebensjahr!

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