Von
Heerke Hummel
Wer für nichts anderes zu gebrauchen ist, wird Lehrer
oder studiert Ökonomie. So etwa, glaube ich, dachten einst und denken
vielleicht heute noch viele von denen, die ein technisches oder
naturwissenschaftliches Studium absolvierten. Nach dem Abitur und anschließender
zweijähriger Berufsausbildung als Matrose sowie Praktikum auf einer Werft als
Auftakt zu einem Schiffbaustudium sattelte ich um zu Volkswirtschaft/Politische
Ökonomie, weil nur dies mich wirklich interessierte und – so meinte ich -
glücklich machen könnte. Die Verwunderung darüber – ich glaubte sie zu spüren -
mag sich bei meinen früheren Klassenkameraden in Grenzen gehalten haben. Denn
mit meinem Abi-Zeugnis hätte ich wahrscheinlich für jedes „ordentliche“ Fach
einen Studienplatz bekommen können.
Nach dem Studium an der Humboldt-Uni Anfang der 1960er
Jahre hatte ich größten Respekt vor der ökonomischen Theorie von Karl Marx und
Friedrich Engels. Doch was die gelehrte „Politische Ökonomie des Sozialismus“
betraf so dachte ich, das könne doch nicht „das Gelbe vom Ei“ sein. Es war im
Wesentlichen eine Wiederholung einschlägiger Parteibeschlüsse die Lösung
anstehender sachlicher volkswirtschaftlicher Probleme betreffend. Doch
immerhin: da ging es wenigstens um die notwendigen sachlichen Beziehungen und
Strukturen in der Volkswirtschaft und um die Durchsetzung des „Gesetzes der
Ökonomie der Zeit“. Denn die Zeit, so wusste man, ist das natürliche Maß der
Arbeit, mit der es als Quelle des Reichtums in volkswirtschaftlichem Maßstab
durch Planung und Organisation der Produktion zu haushalten galt, ganz dem Sinn
des Wortes Ökonomie entsprechend.
Solches Wirtschaften des Ostens wurde im ideologischen
Kampf des Kalten Krieges von westlicher Seite diffamiert – ungeachtet der
Tatsache, dass natürlich auch im Westen Betriebe wie Konzerne bemüht waren zu
planen und zu organisieren, wenn auch mit weit weniger beziehungsweise ohne
zentrale Stringenz und mit viel größerer Flexibilität. Was die beiden sozialen
Systeme aber vor allem unterschied, war die Zielstellung des Wirtschaftens und
seiner Planung. Dem Sozialismus kam es darauf an, bei internationaler
Zusammenarbeit und Arbeitsteilung – also auch Handel – Volkswirtschaften zu
gestalten und zu entwickeln, die es allen Bürgern ermöglichen sollten gut zu
leben. Sein Scheitern nach siebzigjähriger Praxis am Beginn des letzten
Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts wurde von seinen Gegnern als seine
Niederlage und als Sieg des Kapitalismus im ökonomischen Wettbewerb der beiden
Systeme gefeiert und überheblich als Zeichen der Unbrauchbarkeit der
sozialistischen Theorie angesehen.
Heute, nach kaum dreißigjähriger „freier“
Chaoswirtschaft des Neoliberalismus steht die Welt vor ökologischen,
ökonomischen, sozialen und politischen Abgründen. – Alles eine Folge des
(leider!) weitgehend gelungenen Bemühens,
sachorientiertes sozialistisches Denken zu delegitimieren und so gut wie
auszurotten anstatt dessen praktische Erfahrungen – positive wie negative –
sachlich zu analysieren und Lehren zu ziehen, beispielsweise das Verhältnis und
die Verbindung von volkswirtschaftlicher Strukturplanung und Eigenverantwortung
der Unternehmen beziehungsweise von Plan und Markt betreffend. In China ist das
wohl geschehen. Die beeindruckenden ökonomischen Erfolge der Volksrepublik sind
wohl im Wesentlichen darauf zurückzuführen.
Dagegen ist in den Vereinigten Staaten von Amerika
Donald Trumps Emporkommen ins Präsidentenamt ohne das jahrzehntelange
wirtschaftspolitische Versagen seiner Vorgänger im Weißen Haus und ihrer
geistigen sowie finanziellen „Zulieferer“ kaum zu erklären. Eine – wenn auch
sehr knappe - Mehrheit von Wählern wollte einfach kein „Weiter so“.
In Europa wurde der angestrebte Einigungsprozess im
Rahmen der EU durch neoliberales Draufloswirtschaften nach dem Prinzip der
Profitmaximierung, vor allem des „Exportweltmeisters“ Deutschland, weitgehend
behindert und ist heute sogar infrage gestellt. Das ist nicht nur die Schuld
von Politikern, sondern vor allem von deren geistigen Beeinflussungen von der
Zunft der Ökonomen her, allen voran die Theoretiker und Verfechter des
Liberalismus mit ihrer Verteufelung staatlicher Einflussnahme auf die
Wirtschaft.
Und im Falle des jüngsten Skandals um die Deutsche
Bahn AG hat auch der ganz einfache „gesunde Menschenverstand“ grob fahrlässig
versagt. Da wurde ein Eckpfeiler der Infrastruktur einer der leistungsfähigsten
Volkswirtschaften kaputtgespart, um mit Milliarden-Investitionen in mehr als
500 Tochterfirmen in 140 Ländern der Welt zu „verdienen“. Die absurden
Engagements reichten von der Weintransportlogistik Australiens bis zum Betrieb
von Wassertaxen in europäischen Ländern. Doch die dort erzielten Gewinne
flossen nicht in die heimischen Geschäftsbereiche, sondern wurden für weitere
Expansionen verwendet, weil man aus der Deutschen Bahn AG einen „Global Player“
machen wollte. Die Folge: Seit 2017 ist die Bahn AG nicht mehr in der Lage, mit
den Erlösen aus dem operativen Geschäft die betriebsnotwendigen Investitionen
in das Kerngeschäft zu tätigen, also den Transport von Gütern und Menschen auf der
Schiene in Deutschland zu sichern. Und: Ein Investitionsstau im deutschen
Eisenbahnwesen, der heute auf einen
„mittleren zweistelligen Milliardenbetrag“ beziffert wird, wie einem deutschen
Magazin zu entnehmen ist. Jahrzehntelang sägten die ökonomisch Verantwortlichen
an dem Ast, auf dem sie eigentlich selber saßen und an dem eine ganze
Volkswirtschaft zu wesentlichen Teilen hing. Und niemand will es bemerkt haben
– bis nun der Bundesrechnungshof kam und prüfte.
Eine „Meisterleistung“ der Herren Mehdorn & Co.!
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