Dienstag, 5. Februar 2019

Wie blöd können Ökonomen sein?


Von Heerke Hummel

Wer für nichts anderes zu gebrauchen ist, wird Lehrer oder studiert Ökonomie. So etwa, glaube ich, dachten einst und denken vielleicht heute noch viele von denen, die ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium absolvierten. Nach dem Abitur und anschließender zweijähriger Berufsausbildung als Matrose sowie Praktikum auf einer Werft als Auftakt zu einem Schiffbaustudium sattelte ich um zu Volkswirtschaft/Politische Ökonomie, weil nur dies mich wirklich interessierte und – so meinte ich - glücklich machen könnte. Die Verwunderung darüber – ich glaubte sie zu spüren - mag sich bei meinen früheren Klassenkameraden in Grenzen gehalten haben. Denn mit meinem Abi-Zeugnis hätte ich wahrscheinlich für jedes „ordentliche“ Fach einen Studienplatz bekommen können.

Nach dem Studium an der Humboldt-Uni Anfang der 1960er Jahre hatte ich größten Respekt vor der ökonomischen Theorie von Karl Marx und Friedrich Engels. Doch was die gelehrte „Politische Ökonomie des Sozialismus“ betraf so dachte ich, das könne doch nicht „das Gelbe vom Ei“ sein. Es war im Wesentlichen eine Wiederholung einschlägiger Parteibeschlüsse die Lösung anstehender sachlicher volkswirtschaftlicher Probleme betreffend. Doch immerhin: da ging es wenigstens um die notwendigen sachlichen Beziehungen und Strukturen in der Volkswirtschaft und um die Durchsetzung des „Gesetzes der Ökonomie der Zeit“. Denn die Zeit, so wusste man, ist das natürliche Maß der Arbeit, mit der es als Quelle des Reichtums in volkswirtschaftlichem Maßstab durch Planung und Organisation der Produktion zu haushalten galt, ganz dem Sinn des Wortes Ökonomie entsprechend.
Solches Wirtschaften des Ostens wurde im ideologischen Kampf des Kalten Krieges von westlicher Seite diffamiert – ungeachtet der Tatsache, dass natürlich auch im Westen Betriebe wie Konzerne bemüht waren zu planen und zu organisieren, wenn auch mit weit weniger beziehungsweise ohne zentrale Stringenz und mit viel größerer Flexibilität. Was die beiden sozialen Systeme aber vor allem unterschied, war die Zielstellung des Wirtschaftens und seiner Planung. Dem Sozialismus kam es darauf an, bei internationaler Zusammenarbeit und Arbeitsteilung – also auch Handel – Volkswirtschaften zu gestalten und zu entwickeln, die es allen Bürgern ermöglichen sollten gut zu leben. Sein Scheitern nach siebzigjähriger Praxis am Beginn des letzten Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts wurde von seinen Gegnern als seine Niederlage und als Sieg des Kapitalismus im ökonomischen Wettbewerb der beiden Systeme gefeiert und überheblich als Zeichen der Unbrauchbarkeit der sozialistischen Theorie angesehen.
Heute, nach kaum dreißigjähriger „freier“ Chaoswirtschaft des Neoliberalismus steht die Welt vor ökologischen, ökonomischen, sozialen und politischen Abgründen. – Alles eine Folge des (leider!) weitgehend gelungenen Bemühens,  sachorientiertes sozialistisches Denken zu delegitimieren und so gut wie auszurotten anstatt dessen praktische Erfahrungen – positive wie negative – sachlich zu analysieren und Lehren zu ziehen, beispielsweise das Verhältnis und die Verbindung von volkswirtschaftlicher Strukturplanung und Eigenverantwortung der Unternehmen beziehungsweise von Plan und Markt betreffend. In China ist das wohl geschehen. Die beeindruckenden ökonomischen Erfolge der Volksrepublik sind wohl im Wesentlichen darauf zurückzuführen.
Dagegen ist in den Vereinigten Staaten von Amerika Donald Trumps Emporkommen ins Präsidentenamt ohne das jahrzehntelange wirtschaftspolitische Versagen seiner Vorgänger im Weißen Haus und ihrer geistigen sowie finanziellen „Zulieferer“ kaum zu erklären. Eine – wenn auch sehr knappe - Mehrheit von Wählern wollte einfach kein „Weiter so“.
In Europa wurde der angestrebte Einigungsprozess im Rahmen der EU durch neoliberales Draufloswirtschaften nach dem Prinzip der Profitmaximierung, vor allem des „Exportweltmeisters“ Deutschland, weitgehend behindert und ist heute sogar infrage gestellt. Das ist nicht nur die Schuld von Politikern, sondern vor allem von deren geistigen Beeinflussungen von der Zunft der Ökonomen her, allen voran die Theoretiker und Verfechter des Liberalismus mit ihrer Verteufelung staatlicher Einflussnahme auf die Wirtschaft.
Und im Falle des jüngsten Skandals um die Deutsche Bahn AG hat auch der ganz einfache „gesunde Menschenverstand“ grob fahrlässig versagt. Da wurde ein Eckpfeiler der Infrastruktur einer der leistungsfähigsten Volkswirtschaften kaputtgespart, um mit Milliarden-Investitionen in mehr als 500 Tochterfirmen in 140 Ländern der Welt zu „verdienen“. Die absurden Engagements reichten von der Weintransportlogistik Australiens bis zum Betrieb von Wassertaxen in europäischen Ländern. Doch die dort erzielten Gewinne flossen nicht in die heimischen Geschäftsbereiche, sondern wurden für weitere Expansionen verwendet, weil man aus der Deutschen Bahn AG einen „Global Player“ machen wollte. Die Folge: Seit 2017 ist die Bahn AG nicht mehr in der Lage, mit den Erlösen aus dem operativen Geschäft die betriebsnotwendigen Investitionen in das Kerngeschäft zu tätigen, also den Transport von Gütern und Menschen auf der Schiene in Deutschland zu sichern. Und: Ein Investitionsstau im deutschen Eisenbahnwesen, der heute  auf einen „mittleren zweistelligen Milliardenbetrag“ beziffert wird, wie einem deutschen Magazin zu entnehmen ist. Jahrzehntelang sägten die ökonomisch Verantwortlichen an dem Ast, auf dem sie eigentlich selber saßen und an dem eine ganze Volkswirtschaft zu wesentlichen Teilen hing. Und niemand will es bemerkt haben – bis nun der Bundesrechnungshof kam und prüfte.
Eine „Meisterleistung“ der Herren Mehdorn & Co.!

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