(Zur Diskussion Burow / Richter etc. im Forum der Online-Zweiwochenschrift "Das Blättchen")
Immer häufiger und heftiger wird darüber diskutiert,
wann und wie der Kapitalismus verschwindet. Was wir gerade erleben, ist nicht
mehr „der Kapitalismus“ . Wir leben bereits in einer Art Übergangsgesellschaft.
Ihre ökonomische Basis ist seit 1971 de facto bereits vergesellschaftet. De
jure beruht sie auf dem Privateigentum, weil die sachliche Veränderung der Ökonomik in ihrem
Wesen nicht verstanden und die Gesetzeslage demzufolge nicht verändert worden
ist.
Es ist ein Zustand, wie er vielleicht lange Zeit
beim Übergang von der Sklaverei zur Feudalgesellschaft in ähnlicher Weise
geherrscht haben mag. Auch dort vollzog sich der Übergang ja über einen langen
Zeitraum ohne einen „revolutionären“ Akt einer neuen, zur Macht strebenden
Klasse, sondern in einem unbewussten kontinuierlichen Wandlungsprozess der
sachlichen Produktionsverhältnisse einerseits
und des Rechts andererseits. Niemand wollte „die Sklavenhaltergesellschaft“
durch „den Feudalismus“ ablösen.
Was wir also heute vor allem brauchen ist ein
Rechtssystem, das den Erfordernissen der ökonomischen Basis der Gesellschaft
gerecht wird, und zu allererst eine vernünftige Vorstellung davon, was
wirtschaften dem Wesen nach bedeutet und wie sich dieser Prozess heute an der
Oberfläche der Erscheinungen einerseits und dem Wesen nach andererseits selbstorganisatorisch gestaltet. Das heißt,
wir müssen begreifen, dass der „freie Unternehmer“ zum „Agenten der
Gesellschaft“ auf der Basis eines bestimmten Rechtssystems geworden ist, das
ihm einen bestimmten Handlungsrahmen vorgibt, bestimmte Kompetenzen gewährt und
Pflichten auferlegt. Diese Bedingungen müssen den Erfordernissen der Realität
immer wieder angepasst werden, also das Recht bzw. die Rechte und Pflichten
kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Das ist zwar schon immer geschehen, doch stets - und
noch immer - unter der Vorstellung, das Wirtschaften sei Privatsache und das
Eigentum Privateigentum der Akteure. Doch das ist spätestens seit 1971 der
sachlichen Lage nach nicht mehr der Fall.
Autor Werner Richter schrieb in einem Kommentar folgende "Anmerkungen zu 'Systemfrage heute'“, Blättchen Heft
16.2012:
Lieber Herr Burow, ich habe einige Tage gebraucht bis sich Ihr Beitrag
etwas gesetzt hatte, geht mir oft so bei schwerer Kost und die liegt hier wohl
vor. Ich nehme an, daß Sie Ihre Gedanken veröffentlichen, um sie zur Diskussion
zu stellen – genau das vermisse ich zu diesem Thema bisher zu sehr - lobenswert. Es hat mich tief beeindruckt mit
welcher sicheren Absolutheit und wohlüberlegten Formulierungen Sie die
qualitative und quantitative Entwicklung der Finanzen und der Geldformen, kurz
und prägnant, charakterisieren. Es liegt damit eine brauchbare Beschreibung
wesentlicher Tendenzen vor, ob aller oder in jeder Beziehung zutreffend wird
wohl noch diskutiert werden, hoffe ich.
Besonders ist für meine Begriffe hervorzuheben, daß
Sie dem allgemeinen Trend trotzend, der gern an vorgeschobener Gier gewisser
„Lumpen“ die Krise erklärt, objektive Ursachen der kapitalistischen
Produktionsweise benennen. Allerdings bin ich vorsichtiger, die Perspektiven so
vereinfacht in „Agonie des Kapitalismus“ festzulegen. So einfach wird das nicht
sein, hier neige ich eher Heinrich Harbach zu, der von „wachsender
Dysfunktionalität des Systems“ spricht, wohl wissend, und zwar in
Übereinstimmung mit Fachleuten wie Heiner Flassbeck, Albrecht Müller, Eric
Hobsbawm, Jaques Attali, Robert Stieglitz, Paul Krugman u.a., daß das System
noch viele Überraschungen bereit hält, bis es „verschwindet“. Las ich nicht
erst vor kurzem eine nicht uninteressante Vorhersage zum Finanzsystem, nach der
eine Einführung eines „Weltgoldgeldes“ zwingend logisch wäre (ich weiß jetzt
nur nicht, bei wem)? Dieser Experte gab über diesen Weg dem Kapitalismus eine
ernsthafte Reset-Chance und weitere ca. 100 Jahre. Ob es genauso wird, steht in
den Sternen, aber die Tendenz wird stimmen, die Funktionalität des Systems wird
sich temporär erholen, auch durch Übernahme asystemischer Wirtschaftselemente
(Gesamtplanung und Steuerung), auch wenn die jetzigen politischen Laienprediger
sich verzweifelt gegen diese Alternativen wehren, wie eine Katze auf dem Baum,
die sich perdu nicht helfen lassen will. Ich rate: Vorsicht mit der Agonie!
Richtig nachdenklich machte mich Ihr Satz:
"Durch Renditediktate des eingesetzten Geldkapitals sowie als Ergebnis des
wissenschaftlich-technischen Fortschritts wird menschliche Arbeit zum Teil
endgültig aus den Wertschöpfungsketten verdrängt." und weiter: "Der
Mensch wird als Humankapital definiert und ist somit als Ware in den Markt
integriert." Ich kann mir nicht helfen, das klingt für mich wie
„Verschwinden des Wertes“. Schafft demnach menschliche Arbeit keinen Wert mehr? Wer schafft dann die Werte,
etwa das abgekoppelte Geld, in welcher Form auch immer auftretend? Ist dann der
Mensch nicht Wert schaffendes Humankapital? Nach Ihrer forschen These ist der
Mensch dann Sklave, also Produzent in einer vorkapitalistischen und
vormarktwirtschaftlichen Produktionsweise. Das wäre tatsächlich das Ende des
Kapitalismus, denn ohne Wertschöpfung keine Warenproduktion und kein
Kapitalismus. Allerdings bezweifle ich heftig die Möglichkeit einer
historischen Rückentwicklung. Für mein Verständnis begehen Sie den üblichen
Fehler, Wertsubstanz und Wertformen zu verwechseln, wenn ich mit der Brille
Harbachs Ihre Thesen lese und dem stimme ich zu. Dessen Blickwinkel frontal zum
„Wert“ scheint günstiger zu sein als ein Blick aus dem Dachfenster der Börse.
Ich hoffe, der Ofen hat jetzt die richtige
Temperatur und die Diskussion ist eröffnet.
Auch Autor
Thorsten Koppusch äußerte sich in einem Kommentar folgendermaßen:
In
der Welt der Ölonomie nicht "zu Hause" genug, um in einer fundierten
Debatte zu Gehard Burows Artikel mitwirken zu können, bin für Werner Richters
Einlassung doch sehr dankbar. Rät er doch für meine Begriffe sehr zu Recht zur
Vorsicht, was die Agonie des Kapitalismus betrifft. Dass deren bisherige
Gestalt permanenten Wandlungen unterliegt, versteht sich; diese Wirtschafts-
und Gesellschaftsform sorgt durch ihre Entwicklung schon selbst dafür,
einschließlich, wie W.R. schreibt, der Integrierung "asystemischer
Wirtschaftselemente. Dass der Kapitalismus sich auch auf diese Weise selbst
überholen muss, halte auch ich langfristig (!!!) für unvermeidlich (Das Zutun
von systembekämpfenden politischen Elementen sei hier mal unbeachtet). Aber die
Langzeitparole von Linken, nach denen es mit Blick auf die Marktwirtschaft
schon seit langem "fünf vor Zwölf" ist, ist nun fast schon so lat wie
der Kapitalismus. Und noch hat niemand sagen können, wann High Noon ist. Damit,
richtig, W.Richter, sollte man besser auch heute vorsichtig sein. Es ließe sich
eine weitere Enttäuschung ersparen.
Th.
Koppusch
·
27. August 2012 um 11:41
Lieber Herr Richter,
wenn Sie den Beitrag von Herrn Burow derart begrüßen,
hätte ich mir wenigstens ein Wort zu meinem Kommentar vom 7. August zum
gleichen Thema gewünscht. Aber wenn Sie jetzt die Diskussion e r ö f f n e n,
ist der wohl indiskutabel.
Autor: Bernhard Mankwald (29.8.12)
Kommentar:
Lieber Herr Koppusch,
Ihre Skepsis - und natürlich auch die von Herrn Richter -
gegenüber der "Agonie des Kapitalismus" scheint auch mir sehr
angebracht. Denken Sie nur an Lenin, der den Imperialismus seiner Zeit als
höchstes Stadium des Kapitalismus auffaßte und als "faulend",
"parasitär" und "sterbend" bezeichnete. Und nun ist Lenin
schon fast 90 Jahre tot, und der Kapitalismus "fault" sehr vital
weiter vor sich hin.
Zu einer realistischeren Sichtweise kommt man meines
Erachtens, wenn man den II. Band des Kapital richtig interpretiert. Ich
verstehe die Rechnungen von Marx so, daß er damit die theoretische Möglichkeit
einer krisenfreien Entwicklung des Kapitalismus demonstriert. Allerdings sind
die Bedingungen dafür unrealistisch - das Kapital müßte z.B. darauf verzichten,
durch Investitionen in Maschinen menschliche Arbeit einzusparen - und es stellt
sich die Frage nach den Grenzen des Wachstums. Krisen sind also unvermeidlich,
aber bisher ist das Kapital immer noch mit ihnen fertig geworden. Außerdem ist
ja nirgends eine Alternative zum Kapitalismus sichtbar; falls es die irgendwo
geben sollte, hat es sich noch nicht herumgesprochen.
Genauer stand dies in einem Beitrag, den ich der
"Blättchen"-Redaktion am 7. August angeboten habe; nach einigen Tagen
Bedenkzeit hat diese mit der sehr nachvollziehbaren Begründung abgelehnt, mein
Text sei zu lang und eher für eine Fachzeitschrift geeignet. Der Text ist aber
auch längst als Kapitel 4 meines Buchs über die "Diktatur der
Sekretäre" veröffentlicht; nähere Informationen finden Sie, wenn Sie dem
Link im Kopf dieses Kommentars folgen. Und wenn es Sie interessiert, schicke
ich Ihnen gerne den betreffenden Textauszug.
1.9.12:
Autor: Gerhard Burow
Kommentar:
Die bisherigen Kommentare zur "Systemfrage"
mahnen zur Vorsicht mit der Annahme einer "Agonie" des Kapitalismus.
Das sehe ich auch nicht als Zustand, sondern eher als Prozess, der sich aus den
von mir angerissenen Antagonismen ableitet. Sicher wird es temporäre
Kompenstionsansätze geben, die die Transformation des Kapitalismus verzögern.
Die Frage nach einer Alternative ist tatsächlich nicht offensichtlich, da das
aus dem System heraus auch nicht möglich ist. In einem weiteren Beitrag möchte
ich einen "dritten Weg" demnächst vorstellen. Er kann nur nach einem
globalen Crash greifen. Bernhard Mankwald geht auf meine These des
immateriellen Charakters der modernen Produktivkraft "Information"
ein. Richtig ist die materielle Basis mit den PC's. Allerdings ist Information
heute eigentlich mehr. Kreative intelligente Arbeit beruht weitgehend auf
Vernetzungseffekte über Software und immaterielle Welten des Internets. Das
sehe ich als eine neue Qualität einer Produktivkraft, die nicht mehr ohne
Weiteres durch Kapital angeeignet werden kann. Mikrochip - basierte
Technologien sind tatsächlich in der Lage, Mehrwert zu erzeugen, gerade weil
sie menschliche Arbeit freisetzen, Gewiinn bzw. Profit aber weiterhin im Preis
enthalten bleiben. Das Problem sehe ich allerdings mehr in der Bewertung von
immaterieller Information und intelligenter Arbeit über Geld, wenn es denn
Warencharakter wie bisher behält. Welcher Aufwand liegt einem Preis
immaterieller Leistungen zugrunde? Das sehe ich als eine Grenze der
Distributionsverhältnisse und dem Charakter des heute bekannten Geldes!
Werner Richters
Entwurf für Forum-Beitrag:
Zu Gerhard Burow,
Vision einer postkapitalistischen Gesellschaft, Blättchen Heft 19, 2012
Es ehrt Dr. Burow, dieses noch unsicher und unscharf in der
meisten Hirne schlummernde Thema, wie könnte/sollte/müßte der Übergang in eine
nachkapitalistische Gesellschaft, objektiv immer wahrscheinlicher, gestaltet
werden, wie kann eine solche Gesellschaft aussehen. Er ist dabei zügig und
zielorientiert, setzt die Hauptpfeiler, ohne sich zunächst um die Details zu
scheren. Das ist mutig, weckt aber meine Skepsis, die ich schon einmal zu
seiner „Systemfrage heute“ in Heft 16 ins Forum gestellt hatte. Diese Methode
weckt meine militärisch geprägte Erinnerungsseite: Kräfte und Mittel –
Beurteilung der Lage- Entschlußfassung- Befehlsausgabe. So werden von alters
her militärische Operationen auf dem Papier vorbereitet, es entstehen taktische
Konzepte, strategische Pläne und Militärdoktrinen. Diese Vorgehensweise ist dem
Zeitdruck, dem Militär permanent unterliegt, geschuldet, es ist immer rasches
Handeln gefordert und es gilt daher zwangsläufig die Devise: Handeln, auch
falsches, ist besser als Zaudern, Überraschungseffekte gleichen aus. Deshalb
werden die beiden ersten Punkte, Kräfte und Mittel bzw. Lagebeurteilung, oft
formal und wenig tiefgründig behandelt, obwohl von entscheidender Bedeutung.
Ich empfinde, Herr Burow hat sich hauptsächlich auf die Entschlußfassung
konzentriert, seine Ausführungen kommen mir wie eine Handlungsanleitung daher.
Hier muß ich leider schon wieder Bedenken anmelden, schon rein praktischer Art.
Wie soll das denn gehen, nach seinen Vorstellungen sollen die Regierungen, ob
planmäßig gewählte oder neue, freiwillig (?) alle Abhängigkeiten und Lobbys
ignorieren, ebenso die Zustände und objektiven Zwänge der nationalen
Volkswirtschaften, zusammenkommen und die notwendigen Beschlüsse zur Einführung
eines Weltgeldes, eines auf die Anfänge des Kapitalismus zurück führenden Bankensystems,
das ist das, was er im Auge hat, und eine umfassende Kontrolle der
Finanzaktivitäten beschließen? Bisher brachten dagegen harmlose Versuche z.B.
Obamas, mit den G8 wenigstens eine konzertierte Trennung von Geschäftsbanken
und „Investmentbanken“ gesetzlich zu verankern nur die münchiadische
„Siegesmeldung“ a la Daladier und
Chamberlain: Merkel hat erfolgreich die US-Angriffe abgewehrt! Ich kann
mir ein derartiges Regierungshandeln nicht vorstellen, selbst, wenn bei einigen
Politikern, nicht alle sind blöd, zynisch oder korrupt, eine so gerichtete
Einsicht gewonnen hätten, hat er denn nicht die Tragik des Ritter von der
traurigen Gestalt namens Obama erkannt, nicht Bob Reichs, Clintons
Arbeitsministers, Analyse der wahren Macht in Washington vernommen? Es müßte
schon hinter jedem Politiker ein Mensch mit drohend schwingendem Knüppel
stehen, wenn etwas auf diese Art geschehen sollte. Wer soll dies aber sein?
Etwa Freiwillige aus dem weiten Feld der Ehrenamtlichen oder Hartzis, alle so
qualifiziert wie als Hilfslehrer in unseren Schulen oder für
Pflegeeinrichtungen? Wer soll dies organisieren, natürlich gegen den Widerstand
der Staatsmacht, diese ausschalten, wer
soll diese Kräfte schulen, instruieren und führen? Wie Herr Burow meint, ohne
„Revolution“ – hier setzt mir meine Phantasie Grenzen. Nein, ich fürchte, ohne
die politische Revolution, die Entmachtung der Regierenden mit allen
Erscheinungsformen, randalierendem Pöbel, Standrecht, Terror, Richtungskämpfe
und Diktatur der Sieger ginge das gar nicht. Wer stellt die dafür notwendige
Führung, organisiert die Vorbereitung und Durchführung? Wieder ein Versuch der
brachialen Geburt eines vielleicht später demokratischen Entwicklungsweges, dem
Urirrtum aller bisherigen Revolutionen?
Und: dieser beabsichtigte Wandel des Systems, von der politischen Seite
einmal abgesehen, soll nicht revolutionär dem Inhalt nach sein? Ich kann mir in
derzeitiger Situation keine gewaltigere Revolution vorstellen.
Hinzu kommen mir theoretische Bedenken. Herr Burow offeriert
eine Variante der Theorie des gesellschaftlichen Systemwandels über die
Veränderung der Verteilungsverhältnisse mit besonderer Rolle des Geldes. Diese
Theorie ist nicht neu, wir finden sie von einschlägigen „linken“ Kreisen naturwüchsigen selbstregulierenden
gesellschaftlichen Prozeß sich außerhalb des menschlichen Willens vollzieht.
Nur über die sich verändernde Substanz des Wertes und seiner Formen, die eine
objektiv wachsende Dysfunktion des Warenproduktionssystems hervorruft, nicht
über die Formen der Verteilung von Arbeit und Ergebnisse der Produktion, können
wir die Transformationspunkte zur Veränderung der Produktionsweise und damit
der Gesellschaftsformen finden, natürlich auch im Wechselverhältnis zu Distribution und Konsumtion. Insgesamt erkenne
ich in der Burowschen Theorie die der „sozialistischen Marktwirtschaft“ wieder,
die auf Marktgläubigkeit beruht. Das ist alles Mögliche, aber nicht Marx. Und
ich muß Heinrich Harbach recht geben, wenn er fassungslos angesichts dieser
Grundtheorie konstatiert: Als habe Marx „Das Kapital“ nie geschrieben! Was, zum
Teufel, bewegt wissenschaftlich Denkende dazu, die Unsterblichkeit der
Marktwirtschaft zu akzeptieren? Wenn es schon vormarktwirtschaftliche
Gesellschaften gab, warum soll es keine nachmarktwirtschaftlichen geben
können? Dazu empfehle ich dringend
Heinrich Harbach: Wirtschaft ohne Markt.
Die Vorstellung eines „Kontokorrentguthabens“ als neue
Geldform, die die gesamte Gesellschaft umwandeln soll, greift, wie Heinrich
Harbach an anderer Stelle bereits bemerkte, auf die berühmte „Proudhon`sche
Fata Morgana“ zurück. Das ist dann schon sehr nostalgisch, paßt aber wohl nicht
mehr in die modernen Verhältnisse (Hinweis für „Marx-Studenten“: „Elend der
Philosophie“). Nein, nein, am Wertgesetz führt kein Weg vorbei.
Herrn Burow danke ich, sich so weit aus dem Fenster gelehnt
zu haben, aber ohne solchen Mut kommt kein anständiger Streit zustande und den
wollen wir doch. Ich bin weit davon entfernt, nach dem alten Muster der
Grundsatzdiskussionen des „Marxismus/Leninismus“ ihn erst in der Luft zu
zerreißen und dann in den Staub zu treten. Inhaltlich hartes Contra ist jedoch
normal. Seine Ideen sind mir so ganz falsch nicht, nicht zuletzt wegen der
erstaunlichen Lebensfähigkeit und Stabilität „anarchistischer“ Gesellschaftsformen
wie etwa im Baskenland, über deren Bestand und Funktionsweise in unserer
Gesellschaft wohl nicht ohne Grund seit Jahrzehnten der Mantel des Schweigens
gelegt wurde, von allen Seiten. Gibt es nicht unter uns jemand, der uns darüber
mehr beibringen kann? Das wäre bestimmt eine Bereicherung.
Ich möchte nur zwischen den Ideen z. B. des Herrn Burow und
von Marx die „Hierarchie“ gewahrt sehen,
sonst kommen wir in die reinste Anarchie und landen insgesamt bei Proudhon.
Meine (H. Hummels) Meinung dazu, erbeten von W.R.:
26.9.2012
Lieber Werner! Burows jüngsten Artikel hatte ich gleich nach Erscheinen gelesen und fand ihn dann ganz interessant, was die finanzielle Sache betrifft, nicht bestimmte Details. Der Weg dahin über eine Konferenz aller Regierungen ist wahrscheinlich illusorisch. Nun, nach Kenntnis Deiner Erwiderung, habe ich ihn nochmals gelesen und kann Deiner Argumentation leider nicht so recht in allem folgen. Habe auch nicht die Muße, das hier ausführlich darzulegen.
Lieber Werner! Burows jüngsten Artikel hatte ich gleich nach Erscheinen gelesen und fand ihn dann ganz interessant, was die finanzielle Sache betrifft, nicht bestimmte Details. Der Weg dahin über eine Konferenz aller Regierungen ist wahrscheinlich illusorisch. Nun, nach Kenntnis Deiner Erwiderung, habe ich ihn nochmals gelesen und kann Deiner Argumentation leider nicht so recht in allem folgen. Habe auch nicht die Muße, das hier ausführlich darzulegen.
Ich sehe das alles etwas allgemeiner. Schon in meinem
ersten, sehr theoretischen Entwurf (in den 1970er Jahren) einer sozialistischen
Reproduktionstheorie für eine sozialistische Gesellschaft kam ich zu der
Überzeugung, dass es für jede Gesellschaft (und jedes Individuum) ein Kostenlimit
gibt, bis zu welchem sie überhaupt einen Bedarf an einer Sache oder Leistung
hat. Weil die bürgerliche „Grenznutzenschule“ mit solchen Argumenten der
Marxschen Arbeitswerttheorie begegnen wollte, waren solche Überlegungen in
unserer damaligen Sozialismus-Theorie tabu. Ich kam zu der Überzeugung, dass
wir einen „Markt“-Mechanismus brauchen, mittels dessen quasi jeder
eigenverantwortliche ökonomische Akteur sich in seinen Entscheidungen an dem
Verhältnis von wirklichen Kosten und Kostenlimit (Preis) orientieren kann. Für
mich ist das millionenfache Geflecht von Produzenten und Konsumenten, Lieferern
und Abnehmern, oder als was man sie alle sonst noch bezeichnen will, der Markt,
der auf verschiedenste Weise geregelt werden kann. Ein Manko unserer damaligen Planwirtschaft
war, dass erstens den Akteuren (vor allem Betriebs- und VVB- bzw.
Kombinatsdirektoren) viel zu wenig Eigenverantwortung zugestanden wurde
(vielleicht unter den damaligen Bedingungen auch zugestanden werden konnte) und
zweitens das starre Preissystem an die Stelle eines Grenznutzens die Devise
setzte: Spare mit jedem Pfennig, Gramm und jeder Minute – koste es was es
wolle!
Marx hat mit seinem „Kapital“ die damalige, kapitalistische
Gesellschaft bzw. deren Ökonomik analysiert. Aber jene Gesellschaft existiert
schon lange nicht mehr. Und die heutige ist mit der Theorie von Marx nicht
mehr, wenigstens nicht mehr ausreichend zu erfassen und zu erklären.
(Wenngleich man natürlich die heutige Welt ohne Marx nicht wirklich verstehen
kann!) Denn was wir spätestens seit der Kündigung des Abkommens von Bretton
Woods im Jahre 1971 erleben, hat mit Wert und Wertgesetz im Sinne von Marx
überhaupt nichts mehr zu tun. Wir leben in einer postkapitalistischen,
schizophrenen Gesellschaft mit einer zwar neuen ökonomischen Basis, deren
„Geld“ zu einer (auch von Marx erwarteten) Arbeitsquittung und
Anteilberechtigung am Gesamtreichtum der Gesellschaft geworden ist, deren
politischer, juristischer und ideologischer Überbau aber dieser Basis noch
nicht entspricht, weil der innere Wandel weder begriffen wurde noch gefühlt
werden konnte. Eine neue Französische Revolution müsste also her. So wie Du
weiß auch ich nicht, wer diese gestalten und führen sollte. Wahrscheinlich
kommt es darauf auch gar nicht an. Der Wandel im Überbau dieser Gesellschaft
wird sich wohl in einem jahre- und jahrzehntelangen Prozess vollziehen nach der
Methode „Versuch und Irrtum“, der äußersten Not gehorchend, wenn – und in dem
Maße wie - die Revolte der Massen und das Funktionieren der Wirtschaft es
erfordern. Begonnen hat dieser Prozess m.E. bereits, beispielsweise mit den
(„gesetzwidrigen“) Anleihekäufen der EZB, auch mit den Massenprotesten im Süden
Europas. Auch Peer Steinbrücks jüngste Vorschläge zur Kontrolle der
Finanzindustrie seien in diesem Zusammenhang genannt. Natürlich, alles völlig
unzureichend und notgedrungener Praktizismus! Aber die Wissenschaft hat eben,
anstatt zutreffende theoretische Analysen und weitsichtige Orientierungen zu
liefern, Jahrzehnte verpennt, eingeschläfert durch ideologische Graben- und
Stellungskämpfe dessen, was sich als „Kapitalismus“ und „Sozialismus“ verstand.
Ich halte auch nicht viel von detaillierten Programmen a la
Burow. Es geht um bestimmte Prinzipien. Wie diese künftig einmal konkret durchgesetzt
werden können, hängt von den dann gegebenen Bedingungen ab. Immerhin aber will
Burow ja die Selbstverwertung des Werts aus dem System nehmen und setzt auf ein
zinsloses Geldsystem sowie auf ein nach ökologischen Effizienskriterien
steuerndes Bankensystem. Wie das einmal praktisch funktionieren kann, sei
dahingestellt. Aber vom Denkansatz her halte ich das für richtig. Denn man
kommt meines Erachtens ohne eigenverantwortlich handelnde „Unternehmer“
(anstelle einer zentralen Planwirtschaft) nicht aus. Und ohne ein über die Geldbereitstellung
regulierendes Bankensystem wird man dabei wohl auch nicht auskommen. Im Grunde
funktioniert ja die ganze Wirtschaft heute schon so. Es wird ja kaum noch mit
wirklich „eigenem, privatem Kapital“ gewirtschaftet, sondern mit Mitteln der Allgemeinheit,
jedoch nach Kriterien und Regeln, die nicht mehr
ins neue System des Geldes als Arbeitszertifikat passen, weil das Geld kein
wirkliches, bestimmtes Äquivalent mehr ist, ein solches (Gold) auch nicht mehr
vertritt, sondern ein direkter Ausdruck der Teilhabe am Reichtum der
Gesellschaft ganz allgemein ist. Geld kann nicht nur in beliebigem Maße bereit
gestellt werden, es wird auch bereitgestellt, wenn notwendig (siehe EZB). Was
wir wirklich dringend brauchen, ist eine Wirtschaftsverfassung, eine
Gesetzgebung für die Wirtschaft und das Finanzsystem, welche die neue
Gesellschaftlichkeit des Reproduktionsprozesses ins Bewusstsein der
Allgemeinheit rückt, Rechte sowie Pflichten der Akteure im Umgang mit Finanzen
und Ressourcen, also in Bezug auf ihr Wirtschaften (für die Allgemeinheit, den
Markt) festschreibt und so ein auf absehbare Zeit dauerhaftes und einigermaßen
harmonisches Funktionieren der gesellschaftlichen Reproduktion gewährleistet.
Auch das erkenne ich bei Burow.
W. Richters Antwort vom 28.9.2012:
Lieber Heerke, ...
Zu Deinen theoretischen Bemerkungen: Ich muß mich da
etwas tiefer einlesen, mein Wissen reicht dafür noch nicht. Aber als alter
Skeptiker kommen mir schon jetzt einige Fragen. Die Wegweisung der
Arbeitswerttheorie als überholt ist mir zu voreilig. Marx hat, wie ich bei
Harbach nachvollziehen konnte, vor allem in den Arbeiten zum
"Kapital" (Grundrisse, Manuskripte) eine nicht höher zu
verallgemeinernde Analyse aller Formen der WP abgegeben. Ich sehe keine
Faktoren, die die Nichtmehrgültigkeit der Arbeitswerttheorie, solange
Warenproduktion herrscht, bewirken würden. Auch der Grenznutzen erscheint mir
eher als ein künstliches Surrogat, das nicht den Status der AW-Theorie erreicht.
Gibt es zu dessen Dominanz gegenüber dem Wert statistische Berechnungen und
Beweise? Ich denke, Warenproduktion und Wert sind tatsächlich nicht zu trennen
und eine Wirtschaftstheorie zur Warenproduktion muß von der Wertsubstanz
ausgehen. Daraus folgen übrigens auch meine abweichenden Auffassungen zum
Niedergang der "realen soz. Warenproduktion". Du beschreibst die
mangelnde Eigenverantwortung und Flexibilität, aber auch bei Höchstmaß an denen
wäre das System generell nicht lebensfähiger geworden, der Systermfehler lag
tiefer, im "Austricksen" des Wertgesetzes mit Plan und Planpreis, der
Reduzierung der PV auf die Eigemtumsverhältnisse und das damit erzeugte Chaos
vor allem beim konstanten Kapital. War ja politisch verständlich, etwas vom
Kapitalismus grundsätzlich Verschiedenes zu kreieren, aber auch der
programmierte Tod, sonst hätte man wie heute die Chinesen die blanke
Marktwirtschaft belassen müssen mit politischer Herrschaft der KP, die deren
Kommunismus damit beerdigt. Die Rolle des konst. Kapitals ist m.E.
der Schlüssel zum Funktionieren eines
Marktwirtschaftssystems, egel, wie es aus ideologischen Erwägungen bezeichnet
wird. Kannst Du Dich an die Wirtschaftsgeschichte zur Einführung der Bewertung
von konst. Kapital erinnern? In den 30-er Jahren wurde das hart diskutiert, bis
man nicht mehr ausweichen konnte. Stalin hat dann als Kompromiß verfügt, wenn
schon Bewertung für Maschinen und Anlagen, dann nur symbolisch für 1 Rubel. Das
änderte sich aus Sachzwängen mit der Zeit, aber das willkürliche Grundprinzip
war bis zum Schluß geltend.
Gut und schön, daß wir nicht einer Meinung sind, wäre ja
auch langweilig. Und so soll auch der hoffentliche Disput im Internet aussehen.
Gruß!
Werner
Meine Erwiderung vom 28.9.2012:
Lieber Werner, mir scheint, es gibt einige Missverständnisse.
Ich wollte nicht sagen, dass Marx‘ Arbeitswerttheorie „überholt“ ist – insofern
menschliche Arbeit immer die Quelle des Reichtums der Gesellschaft ist. Nur:
Was heute „Wert“ genannt wird, ist nicht mehr dasselbe wie das, was der große
Meister als Wert bezeichnete. Der sogenannte Wert hat eine ganz neue
Erscheinungs- und Darstellungsform angenommen. In der Marxschen Analyse des
Warenaustauschs stellt sich der Wert der einen Ware im Gebrauchswert der anderen, des Äquivalents, dar und
schließlich im Gebrauchswert des Geldes als dem „allgemeinen Äquivalent“. Bis
1971 betrug der Wert beispielsweise von einem Paar Schuhe, sagen wir, genau 35
US-Dollar. Und diese 35 Dollar vertraten laut dem Abkommen von Bretton Woods
(1944) gerade eine Feinunze Gold. In dieser Menge Gold, seinem bzw. diesem Gebrauchswert,
stellte sich der Wert der Schuhe dar; konnte sich darstellen, weil in beiden
Waren dieselbe Menge gesellschaftlich notwendiger Durchschnittsarbeit
vergegenständlicht war. Und er musste sich so darstellen (im Gebrauchswert der
anderen Ware, des Goldes), weil der Verkäufer der Schuhe ein wirkliches
Äquivalent (Gold bzw. staatlich verbrieften Anspruch darauf) in der Hand haben
wollte und nicht nur eine Bescheinigung über Anspruch auf, sagen wir, irgendeine
(andere) Ware, in der rund 3 Stunden gesellschaftliche Durchschnittsarbeit
vergegenständlicht waren.
Als die Amerikaner 1971 dieses System des Warenaustauschs
mit der Kündigung des Abkommens von Bretton Woods aufhoben, in den Mülleimer
der Geschichte warfen, taten sie das nicht aus einer übermütigen Laune heraus.
Fast drei Jahrzehnte lang hatten sie ihre auf Weltherrschaft gerichtete Politik
und vor allem die dazugehörige Rüstung mit Hilfe der Geldpresse und auf Kosten
ihrer Handelspartner finanziert. Die Billionen in aller Welt in Umlauf
befindlichen US-Dollar waren nur noch zu einem Bruchteil durch die
amerikanischen Goldreserven gedeckt. Und als das allgemeine Vertrauen in den
Dollar schwand, begannen vor allem französische Banken, ihre Dollarbestände bei
den Amis gegen Gold einzulösen. Die französische Regierung verbot ihren
Devisenbanken sogar, US-Dollars anzukaufen. Auch die Schweiz ergriff
Sicherungsmaßnahmen. In dieser Situation zog Präsident Nixon die Notbremse, um
die amerikanischen Goldreserven (einige Tausend Tonnen) vor dem Abfluss zu
retten. Er, wie auch ziemlich die ganze Welt, begriff gar nicht, was er da tat.
Er vollzog, was Karl Marx als Akt des internationalen Proletariats beim ersten
Schritt in eine neue Gesellschaft erwartet hatte.
Wieso? Das Geld als solches ist heute weltweit kein
„allgemeines Äquivalent“ mehr, in dessen Gebrauchswert der Wert aller Waren
ausgedrückt wird bzw. erscheint. Das ist der fundamentale Unterschied zur Zeit
von Marx. Heute ist es umgekehrt: Der sogenannte „Wert“ des „allgemeinen
Äquivalents“ (unser Geld selbst besitzt ja weder Wert noch hat es Gebrauchswert
in dem hier gedachten Sinne) erscheint im Gebrauchswert aller anderen Waren
(100 € = 30 Brote oder 1 Paar Schuhe oder 70 Liter Benzin usw.). Was macht alle
diese Waren aber gleich? Die Tatsache, dass in ihnen allen die gleiche Menge
gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit vergegenständlicht ist! Und wie viel
Arbeit ist das? So viel Stunden (das Maß der Arbeit ist die Zeit ihrer
Verausgabung) wie durchschnittlich für 100 € gearbeitet werden muss. Das meine
ich, wenn ich sage, unser heutiges Geld ist eben kein allgemeines Äquivalent
mehr, keine Ware, sondern eine Arbeitsquittung, ein Arbeitszertifikat, ein
Ausdruck des Anspruchs auf bestimmte Teilhabe am gesamten „Wirtschaftsprodukt“
der Gesellschaft. Und ich sage, wir leben in einer Gesellschaft, deren
ökonomische Basisbeziehung so gestaltet ist, wie Marx sie von der „neuen“
Gesellschaft erwartete („Kritik des Gothaer Programms“). Allerdings ist sie
nicht so harmonisch wie Marx vielleicht erwartet haben mag, im Gegenteil, ihre
Pestbeulen waren damals völlig undenkbar. Und sie wirtschaftet nicht nach einem
zentralen Plan und im Bewusstsein der allgemeinen Gesellschaftlichkeit ihres
Tuns wie Marx wohl dachte, sondern als Gesamtheit eines eigenverantwortlichen
Unternehmertums (in der Hauptsache mit Mitteln der Allgemeinheit) und in dem
Irrglauben an die private Natur ihres Wirkens und ihres Reichtums, obwohl sie
alle doch einem schier unübersehbaren Wust von Gesetzen, Vorschriften und
Regelungen unterworfen sind (die wenigsten davon allerdings, doch
verständlicherweise, das Geld- und Finanzsystem betreffend, dem Inbegriff des
geheiligten privaten Reichtums).
Der „Wissenschaftliche Sozialismus“ lehrte zu meiner
Studienzeit, die Errichtung der sozialistischen Gesellschaft müsse mit der
politischen Machtergreifung des Proletariats und der Umgestaltung des
„Überbaus“ beginnen, um die ökonomische Basis verändern zu können. Aber nun hat
sich die ökonomische Basis doch von selbst verändert (und ohne dass dies ins
allgemeine Bewusstsein gedrungen wäre), und es steht „nur“ noch die Veränderung
des politischen, juristischen und geistigen Überbaus aus - gewiss nicht durch
das „Proletariat“, eher durch eine engagierte Bürgerschaft, die, wahrscheinlich
Schritt für Schritt, das Notwendige erkennt oder nach der Methode „Versuch und
Irrtum“ durchsetzt. Auch das kapitalistische System ist ja weder an einem Tag
noch in einem Jahr entstanden und auch nicht erst mit bzw. nach der
französischen Revolution, die nur eine Veränderung der politischen
Machtverhältnisse einleitete. Vielleicht sind wir ja heute einem solchen
Ereignis näher als mancher glaubt, jedenfalls was die Entmachtung der
Finanzoligarchie betrifft. Darauf käme es nämlich zu allererst an.
Was den
„Untergang“ des „Sozialismus“ betrifft, hier nur Folgendes: Meines Erachtens
war das alles nur eine Reform, eine „Rolle rückwärts“, weil man es besser nicht
verstand oder es unter den gegebenen Bedingungen nicht anders möglich war. Denn
Politik agiert, meine ich, immer in den Fesseln der Zeit (im kommenden
„Blättchen“ habe ich dazu einen Beitrag). Heute stehen alle, Ost und West, an
dem gleichen Punkt einer Entwicklung, die sich seit 1917 auf zwei verschiedenen
Wegen (revolutionärer Bruch im Osten, kontinuierlicher Systemwandel im Westen)
bei gleichzeitiger gegenseitiger Beeinflussung und Bekämpfung vollzogen hat. Es
war und ist immer noch eine geschichtlich vielleicht beispiellose ökonomische
Aufholjagt, insbesondere Chinas – wie bei der kapitalistischen Ursprünglichen
Akkumulation natürlich auf dem Rücken der darbenden Volksmassen.
So viel für
heute. Hänge Dir noch einen Beitrag an, den ich vor einigen Jahren in
„UtopieKreativ“ hatte.
Alter – veralteter – Marx?
Im Nebensatz hat Heerke Hummel eine Hypothese wiederholt, bei der mir regelmäßig unwohl wird.
„Egal wie – beide Sichtweisen deuten auf einen wesentlichen Zusammenhang von Löhnen und Preisen hin, weshalb, das sei hier nur am Rande bemerkt, eigentlich zu fragen wäre, ob diesem Sachverhalt noch die Werttheorie von Karl Marx gerecht wird. Diese entsprach zwar bei ihrer Formulierung den damaligen Verhältnissen, aber letztere haben sich ganz offensichtlich wesentlich verändert. Der über Jahrzehnte festzustellende Zusammenhang von Lohn- und Preisentwicklung sollte uns zeigen, dass nach rund zwei Jahrhunderten wir es heute nicht mehr mit dem klassischen Austausch von Waren nach dem Wertgesetz, sondern mit einer besonderen Art gesellschaftlicher Buchführung in der Wirtschaft zu tun haben, die erstens ein Produkt ebenfalls eines gewissen Praktizismus‘ während des Kalten Krieges beziehungsweise des ökonomischen Wettbewerbs zwischen Ost und West gewesen sein dürfte, zweitens die positiven Effekte der „sozialen Marktwirtschaft“ im Zuge eines ziemlich krisenfreien Wirtschaftsaufschwungs ermöglichte und drittens alle – Arbeitsvolk und Unternehmer – ständig reicher werdend erscheinen ließ, obwohl die Kluft zwischen besser Verdienenden und schlechter Gestellten immer größer wurde.“ *
Ich kann mir nicht helfen, wie ich es drehe und wende, immer verstehe ich: Das Wertgesetz ist überholt, Lohn-Preis-Verhältnis, jetzige Formen des Geld(ersatz)es und sogar das Konstrukt „Soziale Marktwirtschaft“ haben das Wertgesetz nivelliert, es ist letztendlich unbedeutend. Gut, auch das „Wertgesetz“ ist nur eine subjektive Widerspiegelung der objektiven Realität wie alle derartigen „Gesetze“, kein Heiligtum. Man muß es immer wieder hinterfragen, da irren menschlich sein soll. Habe ich aber etwas verpaßt, ist die Selbstverwertung des Wertes nicht mehr alleiniger Zweck der aktuellen Stufe der Warenproduktion, die Bedürfnisbefriedigung nicht mehr nur ein zweitrangiges Abfallprodukt dieser? Dreht sich der Finanzzirkus nicht um den vorrangig zu stellenden Anspruch des Finanzkapitals auf letztlich alle gesamtgesellschaftlich geschaffenen Werte, nebenbei die Ansprüche, mit Geld, Spareinlagen und Kleinbesitz scheinbar gesichert, des restlichen Grobzeuges, also unsereins, perspektivlos zu stellen, denn alle Ansprüche sind ja nun mal nicht durch die Weltwertsumme gedeckt? Würde es ohne die Wertschaffung überhaupt ein Finanzcasino geben?
Die eigentlich logischen Antworten suggerieren mir eine wachsende Rolle dieses unsichtbaren Verwertungsprozesses und des Wertes, er kann nicht sekundär geworden sein, im Gegenteil. Nur spielt sich der Kampf um die Verfügungsgewalt über die Werte immer mehr im Finanzbereich ab, wird die konzentrierte Finanzgewalt drohend aufgebläht. Wir dürfen uns nicht von den schier unglaublichen Vorgängen der grotesken Geldvermehrung hypnotisieren lassen, die sagen nicht viel, weisen nur auf die falsche Fährte. Gierige Finanzmanager sind nicht das Krisen gebärende Übel unserer so marktwirtschaftlich sozialen Welt, genau diese werden „gehiret“, um der Zwickmühle der gefährlich gewachsenen Dysfunktionalität des kapitalistischen Zyklus zu entgehen, und um anschließend, es gelingt nie, die Watschenmannrolle zu übernehmen. Ich entsinne mich eines länger zurückliegenden Interviews eines 3-D-Journalisten [(D)Treu-Deutsch-Doof] mit Allan Greenspan, der nach kurzem Nachdenken zur Frage: Wie wird die Wirtschaftswelt in 50 Jahren aussehen? nur zu sagen wußte: Ach, ich wundere mich jeden Morgen, daß der Laden immer noch läuft! Er gab dann auch brav nach dem Crash den reuig Gierigen. Zur zweiten unerläßlichen Manipulationsrichtung werden die Thesen: die Wirtschaft findet an der Börse statt wie der Krieg wegen Regens im Saal, Werte werden heutzutage mit dem „shareholder value“ geschaffen und nicht wie zu Marx´Zeiten durch menschliche Arbeit zur Herstellung materieller Güter für die Warenmärkte, perfider weise indirekt und damit sehr wirkungsvoll wie Landregen in unsere Köpfe getröpfelt. Es soll im Dunklen bleiben, daß ein prinzipieller Endkampf um die absolute und unangreifbare Allmacht der Finanzmächte in vollem Gange ist. Wenn man sich die im Vordergrund ablaufenden Konflikte unter Hinzuziehung anderer, still, aber mit riesigem Aufwand betriebenen Vorstöße, wie z.B. dem M.A.I. **, durchdenkt, werden ganz andere Zusammenhänge sichtbar. Das wäre ein lohnendes Feld für weitere Artikel, Albrecht Müller und Heiner Flassbeck haben schon vor einiger Zeit auf diese Vorgänge aufmerksam gemacht. ***
Alle ernst zu nehmenden Ökonomen, die sich nicht auf die lukrative machtdiktierte neoklassische Linie des Seriositätsverzichts eingelassen haben und dem objektiv gesetzmäßigen Wandel der Gesellschaft weiter auf der Spur sind, treffen sich in der Annahme, daß eine innere Veränderung der Produktivkräfte stetig abläuft, die ein allmähliches Aufkeimen neuer technischer Elemente in den Warenproduktionsbeziehungen hin zu deren Aufhebung erbringt, ohne Selbstauflösung der Produktionsverhältnisse zu bewirken. Sie suchen nach den Transmissionspunkten in den jetzigen ökonomischen Strukturen, an denen dieser Prozeß abläuft. Nach aller Erkenntnis werden diese „in der Veränderung der Funktion und Stellung des Geldes als gesellschaftlich Allgemeines (d. h. als allgemeines Äquivalent und allgemeine Ware) und in der Auflösung der abstrakten und virtuellen Formen des gesellschaftlichen Reichtums besteh(en)t.“ **** Damit beschäftigt sich Heerke Hummel schon viele Jahre, womit er auf der richtigen Spur sein wird. Er hat aber hier entweder die Werttheorie etwas voreilig fallen gelassen oder fragt genau nach diesen Transmissionspunkten. Wir können wohl, wie in jeder anständigen Gesellschaft, das Wirken gegenläufiger Tendenzen konstatieren und es wird sich zeigen, welche zum Schluß die Oberhand gewinnt, wie auch Hobsbawm meinte. Jedoch zum Trend der Auflösung der Wertverhältnisse sind bisher nur technische Vorgänge, keine gesellschaftlichen festzustellen. Der Trend zur wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung der Wertverhältnisse wird dadurch noch nicht gestört.
So einfach, die Werttheorie unbegründet nur für Marxens Zeiten gelten zu lassen, da mit heute nicht vergleichbar, ist es wohl nicht getan. Das hieße, Marx zum anfangskapitalistischen Wirtschaftstheoretiker abzustufen. Noch zu Marxens Lebzeit gingen seine „Töter“ so vor und sie tun es noch heute auf die suggestive Wirkung dieser Parole bauend, denn diese geschluckt, kräht kein Hahn mehr nach einer halbwegs tiefer gehenden Begründung. Um Marxens Willen unterstelle ich Heerke eine solche Intention nicht, aber ein bißchen in diese Richtung zu schielen ist er schon leicht gefährdet. Zumindest ein Hinweis auf diese Gefahr ist wohl angebracht. Also, um mich vom Nichtmehrgelten des Wertgesetzes zu überzeugen, bedarf es schon weit stärkerer Geschütze mit Tiefenwirkungsmunition. Dann aber bitte mit dem Nachweis, was den Wert abgelöst haben und welche Gesetzmäßigkeiten an Stelle des Wertgesetzes getreten sein sollten. Das würde zwangsmäßig auch den Nachweis erfordern, daß und wie sich das gesellschaftliche Verhältnis von relativer Wertform (Aktivum) und Äquivalentform (Passivum) der Ware in der gesellschaftlichen Vermittlung (Selbstvermittlung des Wertes) umgekehrt hat und die Äqivalentform der Ware, bisher passiv, nur durch Anforderung als Vermittler in diese Beziehung getreten, also ohne eigenes Zutun, die Wertformen dominiert. Aus einer Entwicklung der die Warenproduktion zunächst nicht widerspiegelnden Finanzbranche, ungeachtet der inzwischen komplexen Verbindungen zwischen Finanz- und Produktionswelt, auf eine fundamentale Veränderung des Basisverhältnisses der Warenproduktion zu schlußfolgern, ist schon etwas gewagt. Es sind hiermit auch prinzipielle gesellschaftlich philosophische Fragen berührt, die Verhältnisse von Ursache und Wirkung, Basis und Überbau, Sein und Bewußtsein, Idealismus und Materialismus.
Wir sprechen hier „nur“ über Wertformen, nicht über die Wertsubstanz. Deren „Verschwundensein“, darauf läuft die obige Hypothese letztendlich hinaus, nachzuweisen, würde noch gewaltigere Anstrengungen erfordern, deren Aussicht auf Erfolg ich stark bezweifle. Marx hat eben nicht einen historisch begrenzten Zeitraum mit begrenzter Gültigkeit interpretiert. Er hat eine hohe, oder tiefe (je nach Blickwinkel) Abstraktionsstufe in der Gesellschaftsanalyse der Warenproduktion angestrebt und tatsächlich auch zuwege gebracht, daß jede Reduzierung seiner Darstellung auf frühkapitalistische Produktionsverhältnisse geradezu lächerlich ist. Marx hat ganz bewußt die konkreten Formen der damaligen Produktionsverhältnisse ignoriert und so das Allgemeine, Wesentliche der gesamten Gesellschaftsformation, vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte absehend, herausgekitzelt. Er hat das Wesen aller Warenproduktionsformen, nicht nur der kapitalistischen, aufgedeckt und zusätzlich die Grundstrukturen der Vor- und Nachwarenproduktion. Vieles, was er im „Kapital“ stark komprimiert uns zur Verdauung übergab, hatte er vorher in den Grundrissen und Manuskripten umfassender dargestellt. Diese Arbeiten kann man in der ökonomischen Diskussion nicht beiseite lassen. Ich bin dafür, erstmal Marxens Theorie in ihrer Komplexität zu erfassen, was bis heute nur ungenügend geschehen ist, trotz der Versuche von Generationen marxistischer Wirtschaftswissenschaftler, bevor man sie zu begraben beginnt. Heinrich Harbach stellt angesichts der Tonnen beschriebenen Papieres in der Wirtschaftstheorie betrübt fest: Als ob „Das Kapital“ nie geschrieben worden sei! Dem kann ich mich nur anschließen. Man kann moderne Erscheinungen in der Wirtschaftswelt getrost von der Marxschen Theorie her angehen, ohne sich der Gefahr einer falschen Richtung auszusetzen, mit anderem Ansatz schon.
Es ist zu hoffen, daß in dem bald, schätzungsweise in 2 bis 3 Monaten, beginnenden Diskussionsforum „Wirtschaftstheorie“, das an das Blättchen angedockt sein könnte, diese Diskussion fortgesetzt und auch andere Themen angegangen werden.
* Heerke Hummel, Gesunder Praktizismus, in „Das Blättchen“ Heft 23 Jahrgang 2012
** Multilateral Agreement on Investments
** *Albrecht Müller, Meinungsmache, Knaur Taschenbuchverlag,Dezember 2010
Heiner Flassbeck, Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, Westend Verlag GmbH, 2010
**** Heinrich Harbach, Brief zu: Wirtschaft ohne Markt – Transformationsbedingungen für ein neues System der gesellschaftlichen Arbeit, Karl Dietz Verlag Berlin, 2011
Im Nebensatz hat Heerke Hummel eine Hypothese wiederholt, bei der mir regelmäßig unwohl wird.
„Egal wie – beide Sichtweisen deuten auf einen wesentlichen Zusammenhang von Löhnen und Preisen hin, weshalb, das sei hier nur am Rande bemerkt, eigentlich zu fragen wäre, ob diesem Sachverhalt noch die Werttheorie von Karl Marx gerecht wird. Diese entsprach zwar bei ihrer Formulierung den damaligen Verhältnissen, aber letztere haben sich ganz offensichtlich wesentlich verändert. Der über Jahrzehnte festzustellende Zusammenhang von Lohn- und Preisentwicklung sollte uns zeigen, dass nach rund zwei Jahrhunderten wir es heute nicht mehr mit dem klassischen Austausch von Waren nach dem Wertgesetz, sondern mit einer besonderen Art gesellschaftlicher Buchführung in der Wirtschaft zu tun haben, die erstens ein Produkt ebenfalls eines gewissen Praktizismus‘ während des Kalten Krieges beziehungsweise des ökonomischen Wettbewerbs zwischen Ost und West gewesen sein dürfte, zweitens die positiven Effekte der „sozialen Marktwirtschaft“ im Zuge eines ziemlich krisenfreien Wirtschaftsaufschwungs ermöglichte und drittens alle – Arbeitsvolk und Unternehmer – ständig reicher werdend erscheinen ließ, obwohl die Kluft zwischen besser Verdienenden und schlechter Gestellten immer größer wurde.“ *
Ich kann mir nicht helfen, wie ich es drehe und wende, immer verstehe ich: Das Wertgesetz ist überholt, Lohn-Preis-Verhältnis, jetzige Formen des Geld(ersatz)es und sogar das Konstrukt „Soziale Marktwirtschaft“ haben das Wertgesetz nivelliert, es ist letztendlich unbedeutend. Gut, auch das „Wertgesetz“ ist nur eine subjektive Widerspiegelung der objektiven Realität wie alle derartigen „Gesetze“, kein Heiligtum. Man muß es immer wieder hinterfragen, da irren menschlich sein soll. Habe ich aber etwas verpaßt, ist die Selbstverwertung des Wertes nicht mehr alleiniger Zweck der aktuellen Stufe der Warenproduktion, die Bedürfnisbefriedigung nicht mehr nur ein zweitrangiges Abfallprodukt dieser? Dreht sich der Finanzzirkus nicht um den vorrangig zu stellenden Anspruch des Finanzkapitals auf letztlich alle gesamtgesellschaftlich geschaffenen Werte, nebenbei die Ansprüche, mit Geld, Spareinlagen und Kleinbesitz scheinbar gesichert, des restlichen Grobzeuges, also unsereins, perspektivlos zu stellen, denn alle Ansprüche sind ja nun mal nicht durch die Weltwertsumme gedeckt? Würde es ohne die Wertschaffung überhaupt ein Finanzcasino geben?
Die eigentlich logischen Antworten suggerieren mir eine wachsende Rolle dieses unsichtbaren Verwertungsprozesses und des Wertes, er kann nicht sekundär geworden sein, im Gegenteil. Nur spielt sich der Kampf um die Verfügungsgewalt über die Werte immer mehr im Finanzbereich ab, wird die konzentrierte Finanzgewalt drohend aufgebläht. Wir dürfen uns nicht von den schier unglaublichen Vorgängen der grotesken Geldvermehrung hypnotisieren lassen, die sagen nicht viel, weisen nur auf die falsche Fährte. Gierige Finanzmanager sind nicht das Krisen gebärende Übel unserer so marktwirtschaftlich sozialen Welt, genau diese werden „gehiret“, um der Zwickmühle der gefährlich gewachsenen Dysfunktionalität des kapitalistischen Zyklus zu entgehen, und um anschließend, es gelingt nie, die Watschenmannrolle zu übernehmen. Ich entsinne mich eines länger zurückliegenden Interviews eines 3-D-Journalisten [(D)Treu-Deutsch-Doof] mit Allan Greenspan, der nach kurzem Nachdenken zur Frage: Wie wird die Wirtschaftswelt in 50 Jahren aussehen? nur zu sagen wußte: Ach, ich wundere mich jeden Morgen, daß der Laden immer noch läuft! Er gab dann auch brav nach dem Crash den reuig Gierigen. Zur zweiten unerläßlichen Manipulationsrichtung werden die Thesen: die Wirtschaft findet an der Börse statt wie der Krieg wegen Regens im Saal, Werte werden heutzutage mit dem „shareholder value“ geschaffen und nicht wie zu Marx´Zeiten durch menschliche Arbeit zur Herstellung materieller Güter für die Warenmärkte, perfider weise indirekt und damit sehr wirkungsvoll wie Landregen in unsere Köpfe getröpfelt. Es soll im Dunklen bleiben, daß ein prinzipieller Endkampf um die absolute und unangreifbare Allmacht der Finanzmächte in vollem Gange ist. Wenn man sich die im Vordergrund ablaufenden Konflikte unter Hinzuziehung anderer, still, aber mit riesigem Aufwand betriebenen Vorstöße, wie z.B. dem M.A.I. **, durchdenkt, werden ganz andere Zusammenhänge sichtbar. Das wäre ein lohnendes Feld für weitere Artikel, Albrecht Müller und Heiner Flassbeck haben schon vor einiger Zeit auf diese Vorgänge aufmerksam gemacht. ***
Alle ernst zu nehmenden Ökonomen, die sich nicht auf die lukrative machtdiktierte neoklassische Linie des Seriositätsverzichts eingelassen haben und dem objektiv gesetzmäßigen Wandel der Gesellschaft weiter auf der Spur sind, treffen sich in der Annahme, daß eine innere Veränderung der Produktivkräfte stetig abläuft, die ein allmähliches Aufkeimen neuer technischer Elemente in den Warenproduktionsbeziehungen hin zu deren Aufhebung erbringt, ohne Selbstauflösung der Produktionsverhältnisse zu bewirken. Sie suchen nach den Transmissionspunkten in den jetzigen ökonomischen Strukturen, an denen dieser Prozeß abläuft. Nach aller Erkenntnis werden diese „in der Veränderung der Funktion und Stellung des Geldes als gesellschaftlich Allgemeines (d. h. als allgemeines Äquivalent und allgemeine Ware) und in der Auflösung der abstrakten und virtuellen Formen des gesellschaftlichen Reichtums besteh(en)t.“ **** Damit beschäftigt sich Heerke Hummel schon viele Jahre, womit er auf der richtigen Spur sein wird. Er hat aber hier entweder die Werttheorie etwas voreilig fallen gelassen oder fragt genau nach diesen Transmissionspunkten. Wir können wohl, wie in jeder anständigen Gesellschaft, das Wirken gegenläufiger Tendenzen konstatieren und es wird sich zeigen, welche zum Schluß die Oberhand gewinnt, wie auch Hobsbawm meinte. Jedoch zum Trend der Auflösung der Wertverhältnisse sind bisher nur technische Vorgänge, keine gesellschaftlichen festzustellen. Der Trend zur wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung der Wertverhältnisse wird dadurch noch nicht gestört.
So einfach, die Werttheorie unbegründet nur für Marxens Zeiten gelten zu lassen, da mit heute nicht vergleichbar, ist es wohl nicht getan. Das hieße, Marx zum anfangskapitalistischen Wirtschaftstheoretiker abzustufen. Noch zu Marxens Lebzeit gingen seine „Töter“ so vor und sie tun es noch heute auf die suggestive Wirkung dieser Parole bauend, denn diese geschluckt, kräht kein Hahn mehr nach einer halbwegs tiefer gehenden Begründung. Um Marxens Willen unterstelle ich Heerke eine solche Intention nicht, aber ein bißchen in diese Richtung zu schielen ist er schon leicht gefährdet. Zumindest ein Hinweis auf diese Gefahr ist wohl angebracht. Also, um mich vom Nichtmehrgelten des Wertgesetzes zu überzeugen, bedarf es schon weit stärkerer Geschütze mit Tiefenwirkungsmunition. Dann aber bitte mit dem Nachweis, was den Wert abgelöst haben und welche Gesetzmäßigkeiten an Stelle des Wertgesetzes getreten sein sollten. Das würde zwangsmäßig auch den Nachweis erfordern, daß und wie sich das gesellschaftliche Verhältnis von relativer Wertform (Aktivum) und Äquivalentform (Passivum) der Ware in der gesellschaftlichen Vermittlung (Selbstvermittlung des Wertes) umgekehrt hat und die Äqivalentform der Ware, bisher passiv, nur durch Anforderung als Vermittler in diese Beziehung getreten, also ohne eigenes Zutun, die Wertformen dominiert. Aus einer Entwicklung der die Warenproduktion zunächst nicht widerspiegelnden Finanzbranche, ungeachtet der inzwischen komplexen Verbindungen zwischen Finanz- und Produktionswelt, auf eine fundamentale Veränderung des Basisverhältnisses der Warenproduktion zu schlußfolgern, ist schon etwas gewagt. Es sind hiermit auch prinzipielle gesellschaftlich philosophische Fragen berührt, die Verhältnisse von Ursache und Wirkung, Basis und Überbau, Sein und Bewußtsein, Idealismus und Materialismus.
Wir sprechen hier „nur“ über Wertformen, nicht über die Wertsubstanz. Deren „Verschwundensein“, darauf läuft die obige Hypothese letztendlich hinaus, nachzuweisen, würde noch gewaltigere Anstrengungen erfordern, deren Aussicht auf Erfolg ich stark bezweifle. Marx hat eben nicht einen historisch begrenzten Zeitraum mit begrenzter Gültigkeit interpretiert. Er hat eine hohe, oder tiefe (je nach Blickwinkel) Abstraktionsstufe in der Gesellschaftsanalyse der Warenproduktion angestrebt und tatsächlich auch zuwege gebracht, daß jede Reduzierung seiner Darstellung auf frühkapitalistische Produktionsverhältnisse geradezu lächerlich ist. Marx hat ganz bewußt die konkreten Formen der damaligen Produktionsverhältnisse ignoriert und so das Allgemeine, Wesentliche der gesamten Gesellschaftsformation, vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte absehend, herausgekitzelt. Er hat das Wesen aller Warenproduktionsformen, nicht nur der kapitalistischen, aufgedeckt und zusätzlich die Grundstrukturen der Vor- und Nachwarenproduktion. Vieles, was er im „Kapital“ stark komprimiert uns zur Verdauung übergab, hatte er vorher in den Grundrissen und Manuskripten umfassender dargestellt. Diese Arbeiten kann man in der ökonomischen Diskussion nicht beiseite lassen. Ich bin dafür, erstmal Marxens Theorie in ihrer Komplexität zu erfassen, was bis heute nur ungenügend geschehen ist, trotz der Versuche von Generationen marxistischer Wirtschaftswissenschaftler, bevor man sie zu begraben beginnt. Heinrich Harbach stellt angesichts der Tonnen beschriebenen Papieres in der Wirtschaftstheorie betrübt fest: Als ob „Das Kapital“ nie geschrieben worden sei! Dem kann ich mich nur anschließen. Man kann moderne Erscheinungen in der Wirtschaftswelt getrost von der Marxschen Theorie her angehen, ohne sich der Gefahr einer falschen Richtung auszusetzen, mit anderem Ansatz schon.
Es ist zu hoffen, daß in dem bald, schätzungsweise in 2 bis 3 Monaten, beginnenden Diskussionsforum „Wirtschaftstheorie“, das an das Blättchen angedockt sein könnte, diese Diskussion fortgesetzt und auch andere Themen angegangen werden.
* Heerke Hummel, Gesunder Praktizismus, in „Das Blättchen“ Heft 23 Jahrgang 2012
** Multilateral Agreement on Investments
** *Albrecht Müller, Meinungsmache, Knaur Taschenbuchverlag,Dezember 2010
Heiner Flassbeck, Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, Westend Verlag GmbH, 2010
**** Heinrich Harbach, Brief zu: Wirtschaft ohne Markt – Transformationsbedingungen für ein neues System der gesellschaftlichen Arbeit, Karl Dietz Verlag Berlin, 2011
Meine (H. Hummels) Erwiderung im Forum:
Weiterzudenkender Marx
Lieber Werner Richter, Dein Beitrag „Alter – veralteter – Marx“ im Forum (23. 11. 12) macht auf ein wichtiges theoretisches Problem aufmerksam, das meines Erachtens von marxistischen Ökonomen als solches nicht angesehen wird, weil Zweifel daran, dass die zentralen Erkenntnisse von Karl Marx über die Gesetzmäßigkeiten bürgerlich-kapitalistischer Produktionsweise die ökonomische Realität des beginnenden 21. Jahrhunderts noch ausreichend zu erklären vermögen, verbreitet als unmarxistisch gelten, für „Revisionismus“ gehalten werden, für Verrat an Marx und Dienst am Kapital. Und vor allem scheint ja der Irrsinn in der heutigen Finanzwelt die volle Noch-Gültigkeit der Marxschen Analyse des kapitalistischen Reproduktionsprozesses in einem Maße zu bestätigen wie schon lange nicht mehr.
Gewiss, ohne Marx ist auch die heutige Realität nicht zu erklären, jedenfalls nach meinem Dafürhalten nicht richtig. Aber nur mit Marx eben auch nicht, und es kommt darauf an, auf Marx aufbauend weiterzudenken und in der heutigen Gesellschaft, in ihren ökonomischen Grundverhältnissen die grundsätzlichen Bedingungen einer neuen Gesellschaft zu erkennen, die Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms als eine Gesellschaft charakterisierte, „wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht; die also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. Demgemäß erhält der einzelne Produzent … von der Gesellschaft einen Schein, dass er soundso viel Arbeit geliefert …, und zieht mit diesem Schein aus dem gesellschaftlichen Vorrat an Konsumtionsmittel soviel heraus, als gleichviel Arbeit kostet.“
Mir ist durchaus bewusst, dass Marx in diesem Zusammenhang von entsprechenden rechtlichen Regelungen bezüglich des Eigentums ausging. Deshalb habe ich mit meiner oben gemachten Aussage über die heutige Gesellschaft diese auch nur hinsichtlich ihrer ökonomischen (nicht ihrer juristisch fixierten) Grundverhältnisse im Auge, ohne Berücksichtigung deren juristischer Fixierung eben. Zwischen beidem klafft heute ein eklatanter Widerspruch, den es zu beseitigen gilt.
Doch zurück zur ökonomischen Basis! Ja, Du hast Recht, die Selbstverwertung des Wertes ist auch heute noch alleiniger Zweck der Produktion, die Bedürfnisbefriedigung nur ein zweitrangiges Abfallprodukt dieser. Doch auch dies nur auf der Ebene subjektiver Wahrnehmung von Interessen! Objektiv, real, hat das, was heute in den vermeintlichen Wertbildungs- und Verwertungsprozessen vor sich geht, so gut wie nichts mehr zu tun mit wirklicher Vermehrung von Reichtum. Es sind Illusionen, gestützt durch Illusionisten einer fehlorientierenden, meinungsbildenden Wissenschaft.
Auch sehe ich – wie Du -, „daß ein prinzipieller Endkampf um die absolute und unangreifbare Allmacht der Finanzmächte in vollem Gange ist.“ Gleichzeitig ist aber wohl nicht zu übersehen, dass ein starkes internationales Bemühen auf allen Ebenen und in verschiedensten Bereichen im Gange ist, globale Probleme durch Absprachen organisatorisch zu lösen bzw. in geordnete Bahnen zu lenken.
Gern erbringe ich Dir nun den gewünschten „Nachweis, was den Wert abgelöst haben und welche Gesetzmäßigkeiten an Stelle des Wertgesetzes getreten sein sollten. Das würde zwangsmäßig auch den Nachweis erfordern, daß und wie sich das gesellschaftliche Verhältnis von relativer Wertform (Aktivum) und Äquivalentform (Passivum) der Ware in der gesellschaftlichen Vermittlung (Selbstvermittlung des Wertes) umgekehrt hat und die Äquivalentform der Ware, bisher passiv, nur durch Anforderung als Vermittler in diese Beziehung getreten, also ohne eigenes Zutun, die Wertformen dominiert.“
Ein gedachtes Beispiel aus der Zeit, da das Abkommen von Bretton Woods noch galt, also sagen wir Januar 1971, als die USA gemäß genanntem Abkommen noch je 35 US-Dollar gegen 1 Feinunze Gold rücktauschten:
1 Paar Schuhe = 35 US-Dollar = 1 Feinunze Gold
In dieser Formel bzw. Gleichung standen die Schuhe nach Marx in der relativen Wertform, weil ihr Wert nur relativ, also im Gebrauchswert von 1 Feinunze Gold ausgedrückt wurde (während ihre Wertsubstanz in einer bestimmten Menge in ihnen vergegenständlichter, gesellschaftlich notwendiger Durchschnittsarbeit bestand; und zwar in der gleichen Menge wie in dem Gold vergegenständlicht, denn sonst wären die beiden verschiedenen Waren nicht gleich). Die Feinunze Gold stand in der Äquivalentform, denn sie bildete das Wertäquivalent für die Schuhe. Die 35 US-Dollar waren nur die Banknote, das gesetzliche Zahlungsmittel, das den gesetzlich verbrieften Anspruch auf das bei der Notenbank deponierte, wirkliche Gold ausdrückte.
Nach der Kündigung des Abkommens von Bretton Woods, also sagen wir im Dezember 1971 hatte sich unsere Formel verwandelt in die Gleichung
1 Paar Schuhe = 35 US-Dollar – und basta!
Was bedeuteten, repräsentierten von nun an die 35 Dollar? Möglicherweise
35 US-Dollar = 35 Brote oder 5 Hühner oder ein Damenhut, aber auch 1 Paar Schuhe usw.
In dieser Gleichung gibt es weder eine relative Wertform noch eine Äquivalentform des Wertes. Es kann sie nicht geben, weil der Dollar keinen Wert und Gebrauchswert hat, also gar keine Ware ist, sondern nur Wert (ganz allgemein) und Waren (in ihrer Gesamtheit) repräsentiert. Er repräsentiert nicht mehr das Wertäquivalent einer bestimmten Ware (Gold), sondern aller Waren. Er misst alle auf dem Markt dieses Währungsgebiets befindlichen Waren und setzt sie in Relation zueinander. Das kann er, indem er das ihnen Gemeinsame ausdrückt, darstellt, also die in ihnen vergegenständlichte, gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeit. Im Januar 1971 wurde letztere noch im Gebrauchswert des Goldes ausgedrückt (vertreten durch auf das Gold bezogene Dollarnoten) und nun – schlicht und einfach in dem Begriff „Dollar“. Wie aber kann er diese Funktion wahrnehmen, die Arbeitsmenge messen, die er ausdrückt und wie viel Arbeit drückt er aus? Die von ihm repräsentierte Goldmenge hat er seinerzeit nicht gemessen, die wurde ihm vielmehr durch die internationale Vereinbarung von Bretton Woods zugeschrieben. Die von ihm repräsentierte Menge an gesellschaftlich notwendiger Durchschnittsarbeit dagegen ergibt sich aus dem realen Prozess der Bestätigung bzw. durchschnittlichen Bezahlung von Arbeitsleistungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Es handelt sich dabei um die gesellschaftliche Bewertung und Erfassung von Arbeit in dem heutigen, besonderen System gesellschaftlicher Arbeits- und Leistungsentlohnung sowie gesellschaftlicher Buch- und Rechnungsführung, wie sie sich in dem bestehenden System der Wirtschaftsführung von in hohem Maße eigenverantwortlichen Unternehmern, Managern und sonstigen Leitern, die bestimmte Rechte und Pflichten im Umgang mit den natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen haben. In meinem Buch „Die Finanzgesellschaft und ihre Illusion vom Reichtum“ (Projekte-Verlag, Halle 2005) habe ich diesen Prozess der Verausgabung und Vergegenständlichung der gesellschaftlichen Arbeit sowie ihrer Bewegung durch den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess ganz allgemein dargestellt.
Als im Gebrauchswert des Goldes ausgedrückter Wert wurde die gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeit in ihrer vergegenständlichten Form gemessen, als in Währungseinheiten ausgedrückter gesellschaftlicher Aufwand wird sie heute dagegen in ihrer lebendigen Existenzweise bewertet, gemessen und erfasst. (Eine wichtige Grundlage ist dabei das Tarifsystem.) Aus diesem Unterschied resultiert auch der in der Realität festzustellende Zusammenhang von Löhnen und Preisen. Dass dieser schon lange vor der Kündigung des Abkommens von Bretton Woods zu beobachten war, zeigt wie manch anderer Hinweis, dass diese Kündigung nur der letzte Akt eines jahrzehntelangen, schleichenden Prozesses war, in dessen Verlauf das Gold seine messende und über das Wertgesetz regulierende Funktion im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess mehr und mehr verlor (weil die Probe aufs Exempel, der Eintausch der Noten gegen das wirkliche Gold dank des allgemeinen Vertrauens in die Noten immer seltener stattfand), um am Ende aber gerade die offizielle gesellschaftliche Absage von ihm selbst zu veranlassen, weil es den USA darum ging, sich diesen, allen Dollarbesitzern gehörenden Schatz rechtswidrig anzueignen, da das allgemeine Vertrauen infolge desaströser amerikanischer Rüstungs- und Wirtschaftspolitik ziemlich plötzlich verloren gegangen war. Es war das letzte Todeszucken des Wertgesetzes. Dessen regulierendes Wirken ist einer weitgehenden Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion durch eigenverantwortliche Unternehmer und Gesellschaften in vorausschauender Koordinierung (wenn auch in mörderischem „Wettbewerb“) der lebendigen Arbeit mit einem besonderen System gesellschaftlicher Kostenerfassung (von Produktionsstufe zu Produktionsstufe, von Unternehmen zu Unternehmen) gewichen. Staatliche Einflussnahmen spielen dabei auch eine erhebliche Rolle.
Die allgemein bekannten, katastrophalen Mängel bzw. Wirkungen dieses heutigen Gesamtsystems gesellschaftlicher Reproduktion resultieren daraus, dass der sogenannte gesellschaftliche Überbau überhaupt nicht mehr der ökonomischen Basis entspricht. Die wissenschaftliche Durchdringung der Gesellschaft und ihrer Ökonomik befindet sich, soweit sie allgemein meinungsbildend und politikbestimmend ist, auf einem Stand wie vor über hundert Jahren. Die völlig einseitige Orientierung des Bewusstseins der Gesellschaft als ganze wie auch der einzelnen Menschen auf das Individuum und seine Privatheit hat vor allem in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass der Blick auf das Ganze (heute nicht mehr nur der Nation, sondern der Welt) so gut wie verloren ging und, wenn überhaupt, dann aus dem Blickwinkel des (kurzsichtigen) Einzelinteresses gerichtet ist. Hinzu kommt, was die Sache dramatisch verschlimmert und eine Folge wirtschaftswissenschaftlicher Fehlleistungen ist, dass die Veränderungen in der ökonomischen Basis der Gesellschaft nicht begriffen wurden und Geld und Finanzen für Reichtum gehalten werden, dass geglaubt wird, wachsende Finanzberge seien identisch mit zunehmendem Reichtum und Wohlstand, obwohl sie Raubbau an den Ressourcen der menschlichen Gesellschaft und der Natur, deren Verarmung und Vernichtung bedeuten.
Eine Revolution ist daher erforderlich – in der Wissenschaft, im Denken und Handeln der Menschen, in der Politik und in der Gesetzgebung.
Lieber Werner Richter, Dein Beitrag „Alter – veralteter – Marx“ im Forum (23. 11. 12) macht auf ein wichtiges theoretisches Problem aufmerksam, das meines Erachtens von marxistischen Ökonomen als solches nicht angesehen wird, weil Zweifel daran, dass die zentralen Erkenntnisse von Karl Marx über die Gesetzmäßigkeiten bürgerlich-kapitalistischer Produktionsweise die ökonomische Realität des beginnenden 21. Jahrhunderts noch ausreichend zu erklären vermögen, verbreitet als unmarxistisch gelten, für „Revisionismus“ gehalten werden, für Verrat an Marx und Dienst am Kapital. Und vor allem scheint ja der Irrsinn in der heutigen Finanzwelt die volle Noch-Gültigkeit der Marxschen Analyse des kapitalistischen Reproduktionsprozesses in einem Maße zu bestätigen wie schon lange nicht mehr.
Gewiss, ohne Marx ist auch die heutige Realität nicht zu erklären, jedenfalls nach meinem Dafürhalten nicht richtig. Aber nur mit Marx eben auch nicht, und es kommt darauf an, auf Marx aufbauend weiterzudenken und in der heutigen Gesellschaft, in ihren ökonomischen Grundverhältnissen die grundsätzlichen Bedingungen einer neuen Gesellschaft zu erkennen, die Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms als eine Gesellschaft charakterisierte, „wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht; die also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. Demgemäß erhält der einzelne Produzent … von der Gesellschaft einen Schein, dass er soundso viel Arbeit geliefert …, und zieht mit diesem Schein aus dem gesellschaftlichen Vorrat an Konsumtionsmittel soviel heraus, als gleichviel Arbeit kostet.“
Mir ist durchaus bewusst, dass Marx in diesem Zusammenhang von entsprechenden rechtlichen Regelungen bezüglich des Eigentums ausging. Deshalb habe ich mit meiner oben gemachten Aussage über die heutige Gesellschaft diese auch nur hinsichtlich ihrer ökonomischen (nicht ihrer juristisch fixierten) Grundverhältnisse im Auge, ohne Berücksichtigung deren juristischer Fixierung eben. Zwischen beidem klafft heute ein eklatanter Widerspruch, den es zu beseitigen gilt.
Doch zurück zur ökonomischen Basis! Ja, Du hast Recht, die Selbstverwertung des Wertes ist auch heute noch alleiniger Zweck der Produktion, die Bedürfnisbefriedigung nur ein zweitrangiges Abfallprodukt dieser. Doch auch dies nur auf der Ebene subjektiver Wahrnehmung von Interessen! Objektiv, real, hat das, was heute in den vermeintlichen Wertbildungs- und Verwertungsprozessen vor sich geht, so gut wie nichts mehr zu tun mit wirklicher Vermehrung von Reichtum. Es sind Illusionen, gestützt durch Illusionisten einer fehlorientierenden, meinungsbildenden Wissenschaft.
Auch sehe ich – wie Du -, „daß ein prinzipieller Endkampf um die absolute und unangreifbare Allmacht der Finanzmächte in vollem Gange ist.“ Gleichzeitig ist aber wohl nicht zu übersehen, dass ein starkes internationales Bemühen auf allen Ebenen und in verschiedensten Bereichen im Gange ist, globale Probleme durch Absprachen organisatorisch zu lösen bzw. in geordnete Bahnen zu lenken.
Gern erbringe ich Dir nun den gewünschten „Nachweis, was den Wert abgelöst haben und welche Gesetzmäßigkeiten an Stelle des Wertgesetzes getreten sein sollten. Das würde zwangsmäßig auch den Nachweis erfordern, daß und wie sich das gesellschaftliche Verhältnis von relativer Wertform (Aktivum) und Äquivalentform (Passivum) der Ware in der gesellschaftlichen Vermittlung (Selbstvermittlung des Wertes) umgekehrt hat und die Äquivalentform der Ware, bisher passiv, nur durch Anforderung als Vermittler in diese Beziehung getreten, also ohne eigenes Zutun, die Wertformen dominiert.“
Ein gedachtes Beispiel aus der Zeit, da das Abkommen von Bretton Woods noch galt, also sagen wir Januar 1971, als die USA gemäß genanntem Abkommen noch je 35 US-Dollar gegen 1 Feinunze Gold rücktauschten:
1 Paar Schuhe = 35 US-Dollar = 1 Feinunze Gold
In dieser Formel bzw. Gleichung standen die Schuhe nach Marx in der relativen Wertform, weil ihr Wert nur relativ, also im Gebrauchswert von 1 Feinunze Gold ausgedrückt wurde (während ihre Wertsubstanz in einer bestimmten Menge in ihnen vergegenständlichter, gesellschaftlich notwendiger Durchschnittsarbeit bestand; und zwar in der gleichen Menge wie in dem Gold vergegenständlicht, denn sonst wären die beiden verschiedenen Waren nicht gleich). Die Feinunze Gold stand in der Äquivalentform, denn sie bildete das Wertäquivalent für die Schuhe. Die 35 US-Dollar waren nur die Banknote, das gesetzliche Zahlungsmittel, das den gesetzlich verbrieften Anspruch auf das bei der Notenbank deponierte, wirkliche Gold ausdrückte.
Nach der Kündigung des Abkommens von Bretton Woods, also sagen wir im Dezember 1971 hatte sich unsere Formel verwandelt in die Gleichung
1 Paar Schuhe = 35 US-Dollar – und basta!
Was bedeuteten, repräsentierten von nun an die 35 Dollar? Möglicherweise
35 US-Dollar = 35 Brote oder 5 Hühner oder ein Damenhut, aber auch 1 Paar Schuhe usw.
In dieser Gleichung gibt es weder eine relative Wertform noch eine Äquivalentform des Wertes. Es kann sie nicht geben, weil der Dollar keinen Wert und Gebrauchswert hat, also gar keine Ware ist, sondern nur Wert (ganz allgemein) und Waren (in ihrer Gesamtheit) repräsentiert. Er repräsentiert nicht mehr das Wertäquivalent einer bestimmten Ware (Gold), sondern aller Waren. Er misst alle auf dem Markt dieses Währungsgebiets befindlichen Waren und setzt sie in Relation zueinander. Das kann er, indem er das ihnen Gemeinsame ausdrückt, darstellt, also die in ihnen vergegenständlichte, gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeit. Im Januar 1971 wurde letztere noch im Gebrauchswert des Goldes ausgedrückt (vertreten durch auf das Gold bezogene Dollarnoten) und nun – schlicht und einfach in dem Begriff „Dollar“. Wie aber kann er diese Funktion wahrnehmen, die Arbeitsmenge messen, die er ausdrückt und wie viel Arbeit drückt er aus? Die von ihm repräsentierte Goldmenge hat er seinerzeit nicht gemessen, die wurde ihm vielmehr durch die internationale Vereinbarung von Bretton Woods zugeschrieben. Die von ihm repräsentierte Menge an gesellschaftlich notwendiger Durchschnittsarbeit dagegen ergibt sich aus dem realen Prozess der Bestätigung bzw. durchschnittlichen Bezahlung von Arbeitsleistungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Es handelt sich dabei um die gesellschaftliche Bewertung und Erfassung von Arbeit in dem heutigen, besonderen System gesellschaftlicher Arbeits- und Leistungsentlohnung sowie gesellschaftlicher Buch- und Rechnungsführung, wie sie sich in dem bestehenden System der Wirtschaftsführung von in hohem Maße eigenverantwortlichen Unternehmern, Managern und sonstigen Leitern, die bestimmte Rechte und Pflichten im Umgang mit den natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen haben. In meinem Buch „Die Finanzgesellschaft und ihre Illusion vom Reichtum“ (Projekte-Verlag, Halle 2005) habe ich diesen Prozess der Verausgabung und Vergegenständlichung der gesellschaftlichen Arbeit sowie ihrer Bewegung durch den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess ganz allgemein dargestellt.
Als im Gebrauchswert des Goldes ausgedrückter Wert wurde die gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeit in ihrer vergegenständlichten Form gemessen, als in Währungseinheiten ausgedrückter gesellschaftlicher Aufwand wird sie heute dagegen in ihrer lebendigen Existenzweise bewertet, gemessen und erfasst. (Eine wichtige Grundlage ist dabei das Tarifsystem.) Aus diesem Unterschied resultiert auch der in der Realität festzustellende Zusammenhang von Löhnen und Preisen. Dass dieser schon lange vor der Kündigung des Abkommens von Bretton Woods zu beobachten war, zeigt wie manch anderer Hinweis, dass diese Kündigung nur der letzte Akt eines jahrzehntelangen, schleichenden Prozesses war, in dessen Verlauf das Gold seine messende und über das Wertgesetz regulierende Funktion im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess mehr und mehr verlor (weil die Probe aufs Exempel, der Eintausch der Noten gegen das wirkliche Gold dank des allgemeinen Vertrauens in die Noten immer seltener stattfand), um am Ende aber gerade die offizielle gesellschaftliche Absage von ihm selbst zu veranlassen, weil es den USA darum ging, sich diesen, allen Dollarbesitzern gehörenden Schatz rechtswidrig anzueignen, da das allgemeine Vertrauen infolge desaströser amerikanischer Rüstungs- und Wirtschaftspolitik ziemlich plötzlich verloren gegangen war. Es war das letzte Todeszucken des Wertgesetzes. Dessen regulierendes Wirken ist einer weitgehenden Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion durch eigenverantwortliche Unternehmer und Gesellschaften in vorausschauender Koordinierung (wenn auch in mörderischem „Wettbewerb“) der lebendigen Arbeit mit einem besonderen System gesellschaftlicher Kostenerfassung (von Produktionsstufe zu Produktionsstufe, von Unternehmen zu Unternehmen) gewichen. Staatliche Einflussnahmen spielen dabei auch eine erhebliche Rolle.
Die allgemein bekannten, katastrophalen Mängel bzw. Wirkungen dieses heutigen Gesamtsystems gesellschaftlicher Reproduktion resultieren daraus, dass der sogenannte gesellschaftliche Überbau überhaupt nicht mehr der ökonomischen Basis entspricht. Die wissenschaftliche Durchdringung der Gesellschaft und ihrer Ökonomik befindet sich, soweit sie allgemein meinungsbildend und politikbestimmend ist, auf einem Stand wie vor über hundert Jahren. Die völlig einseitige Orientierung des Bewusstseins der Gesellschaft als ganze wie auch der einzelnen Menschen auf das Individuum und seine Privatheit hat vor allem in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass der Blick auf das Ganze (heute nicht mehr nur der Nation, sondern der Welt) so gut wie verloren ging und, wenn überhaupt, dann aus dem Blickwinkel des (kurzsichtigen) Einzelinteresses gerichtet ist. Hinzu kommt, was die Sache dramatisch verschlimmert und eine Folge wirtschaftswissenschaftlicher Fehlleistungen ist, dass die Veränderungen in der ökonomischen Basis der Gesellschaft nicht begriffen wurden und Geld und Finanzen für Reichtum gehalten werden, dass geglaubt wird, wachsende Finanzberge seien identisch mit zunehmendem Reichtum und Wohlstand, obwohl sie Raubbau an den Ressourcen der menschlichen Gesellschaft und der Natur, deren Verarmung und Vernichtung bedeuten.
Eine Revolution ist daher erforderlich – in der Wissenschaft, im Denken und Handeln der Menschen, in der Politik und in der Gesetzgebung.
Lieber Herr Hummel,
mit der Abschaffung des Goldstandards ändert sich auch das Wesen der Zahlungsmittel – soweit stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Ihren Folgerungen aber kann ich mich nicht anschließen.
Ihre Gleichung:
1 Paar Schuhe = 35 US-Dollar = 1 Feinunze Gold
stimmt in diesen Proportionen natürlich nicht mehr. Aber für die 35 Dollar können Sie auch heute – neben anderen Waren – noch Gold bekommen. Nur ist es je nach Tageskurs nicht mehr 1 Unze, sondern etwa der 50te Teil dieser Menge (Spesen und die in Deutschland auf solche Transaktionen erhobene Steuer nicht mitgerechnet). Wenn Gold also auch nicht mehr als Zahlungsmittel dient – einen Wert verkörpert es mehr denn je.
Diese enorme Verschiebung der Proportionen zeigt einerseits, in welchem Umfang unsere Zahlungsmittel in der Zwischenzeit entwertet wurden. Andererseits deutet sie darauf hin, daß Gold eben nicht in weitgehend automatisierten Fabriken hergestellt werden kann, sondern mit sehr großem Arbeitsaufwand aus immer tieferen Gesteinsschichten herausgekratzt werden muß.
Demgemäß wurde der Eintausch gegen Gold nicht deshalb abgeschafft, weil ohnehin niemand mehr danach verlangte – sondern umgekehrt gerade deshalb, weil zu viele statt Papier reellere Werte sehen wollten. Ich erinnere mich, daß Frankreich unter de Gaulle zeitweilig eine regelrechte Kampagne in diesem Sinne führte.
Die Frage nach dem Wesen des “Geldersatzes”, wie Herr Richter die umlaufenden Zahlungsmittel nennt, ist damit natürlich noch nicht beantwortet. Gerade die “Marx-Fans” sollten sich aber darauf besinnen, welche Bedeutung Marx dem Kreditsystem im Zusammenhang mit der Zirkulation beimaß.
Auf jeden Fall habe ich von Ihren Überlegungen ungleich mehr als von denen des Herrn Burow. Dessen Konzept läuft für meinen Begriff darauf hinaus, auf den Crash zu warten und zu hoffen, daß die Regierungen zur Abwechslung einmal vernünftig werden. Ihre Ideen dagegen geben mir eine Ahnung, in welchem Maße die Produktions- und Zirkulationsverhältnisse bereits dabei sind, die Hülle des bürgerlichen Eigentums zu sprengen.
mit der Abschaffung des Goldstandards ändert sich auch das Wesen der Zahlungsmittel – soweit stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Ihren Folgerungen aber kann ich mich nicht anschließen.
Ihre Gleichung:
1 Paar Schuhe = 35 US-Dollar = 1 Feinunze Gold
stimmt in diesen Proportionen natürlich nicht mehr. Aber für die 35 Dollar können Sie auch heute – neben anderen Waren – noch Gold bekommen. Nur ist es je nach Tageskurs nicht mehr 1 Unze, sondern etwa der 50te Teil dieser Menge (Spesen und die in Deutschland auf solche Transaktionen erhobene Steuer nicht mitgerechnet). Wenn Gold also auch nicht mehr als Zahlungsmittel dient – einen Wert verkörpert es mehr denn je.
Diese enorme Verschiebung der Proportionen zeigt einerseits, in welchem Umfang unsere Zahlungsmittel in der Zwischenzeit entwertet wurden. Andererseits deutet sie darauf hin, daß Gold eben nicht in weitgehend automatisierten Fabriken hergestellt werden kann, sondern mit sehr großem Arbeitsaufwand aus immer tieferen Gesteinsschichten herausgekratzt werden muß.
Demgemäß wurde der Eintausch gegen Gold nicht deshalb abgeschafft, weil ohnehin niemand mehr danach verlangte – sondern umgekehrt gerade deshalb, weil zu viele statt Papier reellere Werte sehen wollten. Ich erinnere mich, daß Frankreich unter de Gaulle zeitweilig eine regelrechte Kampagne in diesem Sinne führte.
Die Frage nach dem Wesen des “Geldersatzes”, wie Herr Richter die umlaufenden Zahlungsmittel nennt, ist damit natürlich noch nicht beantwortet. Gerade die “Marx-Fans” sollten sich aber darauf besinnen, welche Bedeutung Marx dem Kreditsystem im Zusammenhang mit der Zirkulation beimaß.
Auf jeden Fall habe ich von Ihren Überlegungen ungleich mehr als von denen des Herrn Burow. Dessen Konzept läuft für meinen Begriff darauf hinaus, auf den Crash zu warten und zu hoffen, daß die Regierungen zur Abwechslung einmal vernünftig werden. Ihre Ideen dagegen geben mir eine Ahnung, in welchem Maße die Produktions- und Zirkulationsverhältnisse bereits dabei sind, die Hülle des bürgerlichen Eigentums zu sprengen.
Werner Richter schreibt:
[Forum 06.12.12]
-----------------------------------------------------1.
Teil---------------------------------------------------------------------------------------
Zu Heerke Hummels Antwort vom
28.11.12(Goldstandardargument)
Lieber Heerke,
danke für Deine Ausführungen. Aber sie überzeugen mich leider nicht in Bezug
auf die Umwandlung der Äquivalentform des Wertes vom Passiven in Aktives. Der
neuerdings gesetzten Zeichengrenzmenge wegen bringe ich meine Gedanken
stichpunktartig zu Papier:
Hummel: „Gern erbringe
ich Dir nun den gewünschten ‘Nachweis,
was den Wert abgelöst haben und welche Gesetzmäßigkeiten
an Stelle des Wertgesetzes getreten sein sollten. Das würde … das gesellschaftliche Verhältnis von relativer Wertform (Aktivum) und Äquivalentform (Passivum) … umgekehrt
hat und die Äquivalentform … die Wertformen dominiert. ‘
Ein gedachtes
Beispiel …, da das Abkommen von Bretton Woods noch galt…:
1
Paar Schuhe = 35 US-Dollar = 1 Feinunze Gold
[Hierbei]
standen die Schuhe nach Marx in der relativen
Wertform, weil ihr Wert nur relativ, also im Gebrauchswert von 1 Feinunze Gold ausgedrückt wurde
(während ihre Wertsubstanz in einer bestimmten Menge in ihnen vergegenständlichter, gesellschaftlich
notwendiger Durchschnittsarbeit bestand; und zwar in der gleichen Menge wie in dem Gold vergegenständlicht…). Die Feinunze Gold stand in der Äquivalentform,
denn sie bildete das Wertäquivalent für die Schuhe. Die 35 US-Dollar waren nur die Banknote, das gesetzliche
Zahlungsmittel, das den gesetzlich
verbrieften Anspruch auf das bei
der Notenbank deponierte, wirkliche Gold
ausdrückte.“
1.
Diese
Gleichung galt schon zu Marx‘ Zeiten, lange vor ‚Bretton Woods‘[BW], es gab
Schuhe, Gold und Dollar mit Goldgegenwert. BW war lediglich die Ausdehnung der
Relation auf die Welt. Wird das Ende von BW als Kulminationspunkt angenommen,
gilt die Formel auch in der Laufzeit des Vertrages. Damit kann die Auflösung des BW-Vertrages kein historischer Wendepunkt in den
Wertbeziehungen sein, wenn Marxens Werttheorie zumindest zu Lebzeiten gelten
soll. Es sei denn, die Schaffung des Vertrages wäre ein solcher oder das
Wertgesetz selbst wird generell in Frage gestellt.
2.
BW ist
vielleicht ein willkürlich gesetzter Ausgangspunkt, der z.B. in Statistik Schlußfolgerungen in gewünschte Richtung
ermöglicht und verzerrte Widerspiegelung der Realität erzeugt.
3.
Die Formel als
unauflösbares Verhältnis starr zu setzen ist zumindest mathematisch fragwürdig.
Es gelten auch:
1 Paar Schuhe = 35
US-Dollar
35
US-Dollar = 1 Feinunze Gold
1 Paar Schuhe = 1 Feinunze Gold
Möge
man mich, wahrlich kein Mathe-Ass, eines
Besseren belehren.
Hummel: „Nach der
Kündigung des Abkommens von Bretton Woods, also sagen wir im Dezember 1971
hatte sich unsere Formel verwandelt in die Gleichung
1
Paar Schuhe = 35 US-Dollar – und basta!
Was
bedeuteten, repräsentierten von nun an die 35 Dollar? Möglicherweise
35 US-Dollar =
35 Brote oder 5 Hühner oder ein Damenhut, aber auch 1 Paar Schuhe usw.“
1.
Mit dem Ende
von BW entstand folgende Situation:
1 Paar Schuhe = 35
US-Dollar
1 Paar
Schuhe = 1 Feinunze Gold
D.h., die Veränderungen im Währungssystem haben
zunächst keinen Einfluß auf die übrigen Relationen, ich kann mit US-Dollar und
Gold Schuhe kaufen oder diese gegen Dollar oder Gold verkaufen.
a.
Nur weil die
Banknote (gesetzliche Verbriefung) keinen Goldanspruch mehr darstellt, sind die
anderen Relationen nicht aufgehoben.
b.
Die Schuhe bleiben eine relative Wertform und Gold Äquivalentform des Wertes.
c.
Dollar bleibt
gesetzliches Zahlungsmittel, da auch allgemein in der Gesellschaft als
Geldersatz anerkannt.
d.
Diese
Relationen (b. + c.) galten auch schon zu Marx‘ Zeiten.
2.
Der „Zaubertrick“ in der Beweisführung
besteht darin, klammheimlich Dollar und Gold denselben Äquivalentstatus zuzuordnen.
Aber tatsächlich war der Dollar, unberührt von seiner Eintauschbarkeit in Gold,
schon immer nur Geldersatz wie Banknoten allgemein.
-------------------------------------------2.
Teil-------------------------------------------------------------------------------------------
[Forum 06.12.12]
3.
Die Formel 35 US-Dollar = 1 Feinunze Gold ist ein „Marketingereignis“ zum Gottwerdenlassen des Dollars. Der Wegfall
der Formel innerhalb der Verselbständigung der Finanzbeziehung in den W-G-Beziehungen
findet zunächst nur an der Peripherie statt. Das Verhältnis relativen Wertform und Wertsubstanz bleibt unverändert.
Alle weiteren Betrachtungen, zwar in sich logisch
schlüssig, erübrigen sich, da sie auf einer falschen Voraussetzung gebaut sind.
Eine andere Seite der aktuellen Vorgänge in der
Finanzwelt ist die zunehmend vordergründige Dominanz von G-G-Beziehungen in der
Weltwirtschaft, die in der exponential steigenden Geldersatzmenge gegenüber der
linear steigenden“ Weltwertmenge“ und damit der“ Weltäquivalentenmenge“
Ausdruck findet. Diese Widersprüche aufzuschlüsseln steht jedoch noch aus und
bergen bestimmt einige Überraschungen.
H. Hummel am 16.12.12, nicht mehr im Forum des "Blättchens", sondern per E-Mail:
Lieber Werner!...
Weil unser Disput schon sehr theoretisch ist, verzichte ich
darauf, ihn im „Blättchen“ fortzusetzen. Mir scheint, wir reden bzw. denken
etwas aneinander vorbei, und nicht immer bin ich mir sicher, was Du meinst.
Natürlich haben Produkte immer insofern einen Wert, als sie
das Ergebnis von Arbeit sind, also die Wertsubstanz in sich tragen. Das
Besondere der von Marx analysierten Warenproduktion (einschließlich und vor
allem der kapitalistischen) besteht doch nun darin, dass sich diese
Wertsubstanz nicht in ihrem natürlichen Maß, der Arbeitszeit, darstellt, sondern im
Gebrauchswert einer anderen Ware. Der Dollar, wie alle anderen kein Edelmetall
in bestimmter Menge vertretenden Währungen,
vertritt nun aber seit 1971 nicht mehr diese andere Ware, obwohl er auch
noch gegen diese (aber in einem unbestimmten Verhältnis!) eingetauscht werden
kann, als „allgemeines Äquivalent“. Er ist zum direkten Symbol der
Wertsubstanz, also gesellschaftlicher Arbeit geworden, eine Quittung für sie
(Gemessen am durchschnittlich gezahlten Stundenlohn). Er ist zu dem geworden,
was Marx in seiner „Kritik des Gothaer Programms“ als „Geld“ der neuen
Gesellschaft prognostizierte. Und das entscheidende Problem der heutigen
Gesellschaft besteht meines Erachtens darin, dass dieser bereits neuen gesellschaftlichen
Basis der gesellschaftliche Überbau, also das gesellschaftliche Bewusstsein, vor allem das ganze juristische
Regelwerk nicht mehr entspricht. Es müsste, vom Grundgesetz her, die Sphären
des Privaten und des Gesellschaftlichen neu definieren und – Schritt für
Schritt - klarstellen, wer mit diesem bereits neuen Geld was und in welchen Grenzen tun
darf und was nicht. Aber dazu müsste die meinungsbildende
Wirtschaftswissenschaft (und die Gesellschaftswissenschaften im Allgemeinen)
mit einer Rückbesinnung auf und Weiterentwicklung von Marxens Denken erst mal
die notwendigen Vorleistungen erbringen. Die Aussichten darauf sind düster, und
so wird man wohl noch lange im Nebel herum tappen und in einem qualvollen
Prozess den Ausweg aus der Dauerkrise des Systems nach der Methode „Versuch und
Irrtum“ suchen.
...
Heerke
Antwort von W. Richter, per E-Mail v. 17.12.12:
Antwort von W. Richter, per E-Mail v. 17.12.12:
Lieber
Heerke,
.....
Tja, unser liebes Geld, es macht uns rundherum Scherereien. Erst haben wir
immer zuwenig davon, dann streiten wir uns noch um seine Bedeutung. Ich
vermute, daß dieses Problem in der theoretischen Diskussion noch viel Zündstoff
geben wird, es ist ja auch in das entscheidende Theorie- bzw. Politikfeld der
zukünftigen Schlachten um die gesellschaftliche Weiterentwicklung eingebettet.
So können wir uns erstmal bequem zurücklehnen und der Dinge, die da noch
kommen, harren. Du hast recht, eine Weiterführung der Diskussion im Blättchen
ergäbe wenig Sinn.
Ich glaube, wir zwei beide gehen von unterschiedlichen Inhalten des Geldbegriffes aus. Da wir uns in einer Theoriediskussion befinden, halte ich mich an eine ganz enge Definition. Das ist natürlich sehr abstrakt, soll es m.E. aber auch sein. So interessiert mich zunächst überhaupt nicht, was Marx in der "Kritik" gesagt hat, denn das ist schon ein Übergang in Politik, den ich an der Stelle nicht gebrauchen kann. Ich möchte zuerst Klarheit über die Wertsubstanz in der Warenproduktion, egal ob vor- oder kapitalistische, und deren etwaigen Wandel und die darauf wirkenden Einflußfaktoren. Es sind mir, solange ich die Wirtschaftsdiskussion mit meinen bescheidenen Kenntnissen verfolge, viel zu viele Dinge im Schwange, die alle unter dem Begriff "Geld" zusammengefaßt werden, obwohl sie eigentlich gar nicht dazu gehören. Darauf kann keine klärende Theoriediskussion aufgebaut werden. Du bist da schon viel länger, tiefgründiger und intensiver am Ball, aber vielleicht hat mein Zustand allen etwas voraus: Ich stelle mich erst mal ganz dumm nund frage: Wat is...Geld. Ich glaube, das muß erst intensiv besprochen und bestritten werden, weil mir ansonsten die Gefahr schwant, daß mit vernebelten Begriffen Theorien aufgestellt werden, die am Wesentlichen vorbei rauschen. Das schönste Beispiel lieferte mir Freund Burow, der mit verwischten Kategorien jonglierend zu fraglichen Schlußfolgerungen kommt. Für Dich wäre dies natürlich ein Reset, aber warum nicht? Wäre das nicht in Marxens Sinne? Alles immer wieder auf den Prüfstand stellen, so soll er geglaubt haben. Wir denken doch genauso!
Von dieser Position aus gehen meine Fragen und Einwürfe, sie sind mir logisch.
Für Marx war Geld als nur virtuelle, aber einzigartige besondere Ware, in der sich die Warenwerte, ebenfalls nur virtuell vorhanden, ein sehr abstrakter Begriff, demnach sind alle Erscheinungsformen dieser Ware eben nicht Geld, und Geld nur mit einer passiven Widerspiegelungsfunktion für die übrigen Warenwerte ausgestattet. Das betrifft alle Geldersatzformen, ob Muscheln. Mühlsteine, Schuldscheineoder Banknoten mit oder ohne Golddeckung, die kein Geld sind, nur dessen sichtbare Zeichen ohne Kompetenz für den Warenwert. Ich folge hier, weil es mich überzeugt hat, gern Harbach. Es wäre vielleicht hilfreich, z.B. alles, was er zu Geld sagt, mal zusammen zu fassen und zu systematisieren. Der Gedanke kam mir, als ich sein Buch erst las, dann exzerpierte und dann Thesen daraus zu entwickeln versuchte. Das brauchte viel Zeit, die ich als Rentner mir nehmen kann, und war sehr lehrsam. Dadurch kommt mir die Frage auf, ob denn Veränderungen in den Geldersatzformen irgendeine Änderung in der Wertsubstanz des Geldes im engeren Sinne bewirken können? Unter den obigen Überlegungen geht das nicht, da ja die passive Widerspiegelungsfunktion nicht abgeschafft wird. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis wir unsere Standpunkte klar definiert habern werden, aber so muß es auch sein.
Gruß!
Werner
Ich glaube, wir zwei beide gehen von unterschiedlichen Inhalten des Geldbegriffes aus. Da wir uns in einer Theoriediskussion befinden, halte ich mich an eine ganz enge Definition. Das ist natürlich sehr abstrakt, soll es m.E. aber auch sein. So interessiert mich zunächst überhaupt nicht, was Marx in der "Kritik" gesagt hat, denn das ist schon ein Übergang in Politik, den ich an der Stelle nicht gebrauchen kann. Ich möchte zuerst Klarheit über die Wertsubstanz in der Warenproduktion, egal ob vor- oder kapitalistische, und deren etwaigen Wandel und die darauf wirkenden Einflußfaktoren. Es sind mir, solange ich die Wirtschaftsdiskussion mit meinen bescheidenen Kenntnissen verfolge, viel zu viele Dinge im Schwange, die alle unter dem Begriff "Geld" zusammengefaßt werden, obwohl sie eigentlich gar nicht dazu gehören. Darauf kann keine klärende Theoriediskussion aufgebaut werden. Du bist da schon viel länger, tiefgründiger und intensiver am Ball, aber vielleicht hat mein Zustand allen etwas voraus: Ich stelle mich erst mal ganz dumm nund frage: Wat is...Geld. Ich glaube, das muß erst intensiv besprochen und bestritten werden, weil mir ansonsten die Gefahr schwant, daß mit vernebelten Begriffen Theorien aufgestellt werden, die am Wesentlichen vorbei rauschen. Das schönste Beispiel lieferte mir Freund Burow, der mit verwischten Kategorien jonglierend zu fraglichen Schlußfolgerungen kommt. Für Dich wäre dies natürlich ein Reset, aber warum nicht? Wäre das nicht in Marxens Sinne? Alles immer wieder auf den Prüfstand stellen, so soll er geglaubt haben. Wir denken doch genauso!
Von dieser Position aus gehen meine Fragen und Einwürfe, sie sind mir logisch.
Für Marx war Geld als nur virtuelle, aber einzigartige besondere Ware, in der sich die Warenwerte, ebenfalls nur virtuell vorhanden, ein sehr abstrakter Begriff, demnach sind alle Erscheinungsformen dieser Ware eben nicht Geld, und Geld nur mit einer passiven Widerspiegelungsfunktion für die übrigen Warenwerte ausgestattet. Das betrifft alle Geldersatzformen, ob Muscheln. Mühlsteine, Schuldscheineoder Banknoten mit oder ohne Golddeckung, die kein Geld sind, nur dessen sichtbare Zeichen ohne Kompetenz für den Warenwert. Ich folge hier, weil es mich überzeugt hat, gern Harbach. Es wäre vielleicht hilfreich, z.B. alles, was er zu Geld sagt, mal zusammen zu fassen und zu systematisieren. Der Gedanke kam mir, als ich sein Buch erst las, dann exzerpierte und dann Thesen daraus zu entwickeln versuchte. Das brauchte viel Zeit, die ich als Rentner mir nehmen kann, und war sehr lehrsam. Dadurch kommt mir die Frage auf, ob denn Veränderungen in den Geldersatzformen irgendeine Änderung in der Wertsubstanz des Geldes im engeren Sinne bewirken können? Unter den obigen Überlegungen geht das nicht, da ja die passive Widerspiegelungsfunktion nicht abgeschafft wird. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis wir unsere Standpunkte klar definiert habern werden, aber so muß es auch sein.
Gruß!
Werner
"Sollte es irgendwelche Götter geben, deren Hauptanliegen der Mensch ist, so können es keine sehr bedeutenden Götter sein."
AntwortenLöschenArthur C. Clarke
Ein unbewusster, noch nicht aus dem geistigen Tod der Religion auferstandener Mensch, der "Kapitalismus" sagt, meint "kapitalistische Marktwirtschaft", und die Befreiung der Marktwirtschaft (Paradies) vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus (Erbsünde) durch die Verwirklichung der Natürlichen Wirtschaftsordnung ("Königreich des Vaters") übersteigt sein Vorstellungsvermögen:
Die Rückkehr ins Paradies
Heerke Hummel
LöschenH. Hummel, Am Plessower See 154, 14542 Werder/Havel; Tel.: +49/3327/42157; E-Mail: heerke.hummel@web.de
Home: heerke-hummel.de
Herrn
Stefan Wehmeier
27. Januar 2013
Sehr geehrter Herr Wehmeier, leider konnte ich Ihnen nicht eher antworten. Vielen Dank für Ihr Interesse an „Ende des Kapitalismus?“ auf meiner Internet-Seite (http://heerkehummel.blogspot.de/2012/12/ende-des-kapitalismus.html#more), für Ihr Melden und den Link zu Ihrem Aufsatz „Die Rückkehr ins Paradies“! Ein solcher Blick auf geldtheoretische Fragen war mir bisher nicht bekannt, und ich finde ihn äußerst interessant. Ich freue mich besonders feststellen zu können, dass wir beide in unserem Streiten gegen die Zinswirtschaft und ihre Selbstvermehrung des Geldes übereinstimmen. Und ich werde mir erlauben, auch Freunde und Bekannte auf Sie aufmerksam zu machen.
Da inzwischen ein neuer Beitrag von mir unter dem Titel „Bayerisches Rätsel: Wer regiert das Geld?“ in „Das Blättchen“ erschienen ist, hier der entsprechende Link:
http://das-blaettchen.de/2013/02/bayerisches-raetsel-wer-regiert-das-geld-20678.html
Mit freundlichen Grüßen