Montag, 3. Oktober 2011

Von Schröder nichts Neues


Von Schröder nichts Neues
(Erschienen in: "Das Blättchen"/Forum/03.10.2011)
 

Die brandenburgische Landtagsfraktion der SPD hatte für letzten Donnerstag zu ihrem 20. Wirtschaftsforum zahlreiche Gäste aus Politik und Wirtschaft eingeladen. Prominentester und Hauptredner zu „Perspektiven und Herausforderungen für Deutschland und Europa in einer globalisierten Welt“ war Gerhard Schröder, Bundeskanzler a. D. Ministerpräsident Platzeck gab nur eine sehr knappe Einführung ins Thema aus seiner Brandenburger Perspektive.
Natürlich ging es zunächst gleich um den Euro und seine derzeitige Krise. Und wie jedermann verwies Schröder auf angebliche Irrtümer seines Amtsvorgängers H. Kohl und des Franzosen Mitterrand, die bei ihren Beschlüssen zur Währungsunion geglaubt hätten, der Euro werde die Herausbildung der erforderlichen politischen Union Europas schon voran bringen. Tut er das denn nicht gerade mit aller Macht?


Dass Schröder seine Agenda 2010 weiterhin rechtfertigen würde, war ebenfalls zu erwarten. Und eine europäische Wirtschaftsregierung, die er heute für erforderlich hält, sieht er, wie auf Grund seiner Agenda ebenfalls zu erwarten war, vor die Aufgabe gestellt, die europäischen Sozialsysteme derart anzugleichen, dass sich die Schere zwischen Arbeitseinkommen und Renten vergrößert, anstatt verringert zu werden. Altersarmut hat damit nun eine andere Umschreibung bekommen und soll europaweit vereinheitlicht werden.
Auch nicht neu ist Schröders jetzige Forderung nach Kontrolle der Finanzmärkte – nämlich insofern, als er nun in Potsdam nur nachplapperte, was inzwischen alle Welt für erforderlich hält, wo er selbst doch im Jahre 2004 als damaliger Regierungschef seinen sozialdemokratischen Minister Hans Eichel im Interesse des Finanzkapitals das Verbot von Hedgefonds in Deutschland hat aufheben lassen. Sollte er das vergessen haben? Perfider weise mokierte er sich nun über die früheren britischen und amerikanischen Forderungen an Deutschland, man möge diese hochriskanten Papiere endlich zulassen.
Schröders (und inzwischen auch Steinmeiers) Vorschlag, zur Privatisierung griechischen Staatsvermögens eine europäische Treuhand zu gründen, geht auch nur auf eine entsprechende Idee seines Amtsvorgängers Kohl für die Verscherbelung des Volkseigentums der DDR-Bürger zurück. Dabei könne man, so Schröder, auf deutsche Beratung hoffen. Dass dabei Fehler wie vor zwanzig Jahren in Deutschland nicht wiederholt würden und Staatseigentum nicht verschenkt werde, dürfte sich als ein frommer Wunsch des heutigen Lobbyisten (Wikipedia) des Großkapitals erweisen. Die Finanzhaie stehen schon in den Startlöchern. Die Unternehmensberatung Roland Berger, welche die Europa-Treuhandidee kreiert haben soll, bezifferte die geschätzten möglichen Einnahmen aus dem griechischen Ausverkauf nach Schröders Angaben bereits auf etwa 125 Milliarden Euro. Viel Geld? Wohl kaum für Banken, Versicherungen und sonstige Gesellschaften, die über Billionen-schwere Euro- und Dollarbestände aus ihren Spekulationen verfügen und damit nach profitablen Sachanlagen suchen. Dass sich bei solchem Großausverkauf angesichts der allgemeinen Herrschaft des Finanzgroßkapitals mit Hilfe international operierender Unternehmensberatungen und des weltweiten Lobbyismus auch unter dem Deckmantel einer Europatreuhand nicht das Sanierungsinteresse des griechischen Volkes bzw. der Völker Europas durchsetzt, sondern die namenlose allgemeine Geld- und Profitgier, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und wer – wie Schröder - meint, eine parlamentarische Kontrolle würde dies verhindern, ist bestenfalls ein Selbstbetrüger, ein Illusionist.
Wie „Panorama“-Reporter dieser Tage bei einer Umfrage feststellten, hatten bei der jüngsten Abstimmung im Bundestag über den erweiterten Euro-Rettungsschirm nur die wenigsten Abgeordneten eine einigermaßen genaue Vorstellung von der Höhe der Beträge, über die sie entschieden.
Auch was Herr Schröder sonst noch von sich gab, etwa in Sachen China, Indien und Brasilien als ökonomische Großmächte der Zukunft, über Russland als bedeutender Roh- und Brennstofflieferant und mögliches Assoziiertes Mitglied der EU sowie über die Rolle der Türkei als Wirtschaftsmacht und Brücke zwischen der EU und der islamischen Welt, war vorher schon Politikern zu hören gewesen, die an der Regierung beteiligt sind oder waren.
Das alles ein Wirtschaftsforum? Diskutiert wurde nicht, nicht einmal Fragen konnten gestellt werden. Schröder hatte gesprochen, wie man es gewöhnt war, in schöner Rede und mit einem Schuss Selbstironie – und verschwand. Zurück blieb das mittlere und mittelständische Parteivolk. Es durfte sich an einem opulenten Buffet laben und Connections pflegen. Alles auf Kosten, versteht sich, des zahlenden Volks!
P.s.: Gerade am Tage des 20. Wirtschaftsforums erschreckte das Land Brandenburg die Öffentlichkeit mit skandalösen antisemitischen Schülermeinungen an Schulen. Und wieder werden nun Schuldige für nazistisches Gedankengut in den Köpfen von Kindern gesucht. Nach den Ursachen sollte man fragen! Dann geriete eine „gut bürgerliche“ Wirtschafts- und Finanzpolitik, auch von Sozialdemokraten betrieben, in den Focus, die, anstatt sozial ausgleichend zu wirken, die Schere zwischen arm und reich in der Gesellschaft (nun sogar bewusst!) vergrößert, die damit Ängste und Misstrauen schürt, Wut erzeugt und so mit uralten Vorbehalten tot geglaubte Gespenster der Vergangenheit weckt. 



Kommentar dazu im "Blättchen" von Ulrich Scharfenorth:
Es gibt einen neuen Kommentar für den Beitrag "Forum".

Autor: Scharfenorth
Kommentar:
Lieber Heerke Hummel, "von Schröder nichts Neues" sprich mir aus der Seele. Dieser Mann und sein Komplize Steinmeier haben wahrhaft großes Unglück über Deutschland gebracht - nicht nur mit der Agenda 2010, sondern mit weit mehr Deregulierungen am Finanzmarkt als sie explizit ansprechen.
In der damals unter Billigung von Rot-Grün gegründeten  „Initiative Finanzstandort Deutschland“ saßen 2003 Großbanken und Versicherungen gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen und der Bundesbank an einem Tisch. Damals powerte die rot-grüne Bundesregierung auf Druck der Finanzlobby zwei Vorhaben. Deren Ziel war es, die Verbriefung von Bankkrediten und Kreditrisiken auch in Deutschland zu ermöglichen. Zum einen ging es um den „Finanzmarktförderplan“, der Hedgefonds in Deutschland zuließ und unbegrenzte Leerverkäufe erlaubte, zum anderen um die Stützung der von 13 Banken ins Leben gerufenen Lobby-Organisation „True Sale Initiative“, die sich für die Deregulierung des Derivatemarktes einsetzte. Gleichzeitig wurde das „Kleinunternehmensförderungsgesetz“ verabschiedet, das den Banken in Offshore-Zentren die Ansiedlung von so genannten Zweckgesellschaften ermöglichte. Diese sogar staatlich subventionierten Einrichtungen („Conduits“) befassten sich ausschließlich mit den o. a. Verbriefungen, die aus den Bankenbilanzen offiziell ausgegliedert werden durften und der Finanzaufsicht entzogen waren (!!!). Ja mehr noch: Die Gewinne aus diesen Aktivitäten, die bei anfänglich erfolgreicher Spekulation milliardenschwer zu Buche schlugen, blieben frei von jeder Gewerbesteuer (!!!). Die so privilegierten, sprich: mit nahezu jeglicher Freiheit ausgestatteten Finanzinstitute versprachen eine wichtige Gegenleistung. Sie wollten den deutschen Landen treu bleiben (also nicht in Richtung der lukrativen Märkte – Großbritannien und USA – abwandern) und den deutschen Mittelstand sehr viel großzügiger mit Krediten versorgen ("abgebloggt", Heiner Labonde Verlag, Oktober 2011 - frei nach ARD/“Kontraste“ vom 26. August 2010).
Unterm Strich sind die rechten SPD-Führer - wie schon immer - sehr viel gefährlicher als die Konservativen. Von Letzteren erwartet man das, was sie repräsentieren ... und man wir in der Regel nicht enttäuscht.
Mit Grüßen aus Ratingen!
Ulrich Scharfenorth

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen