Mittwoch, 16. Februar 2011

Wie weiter in der Gesellschaft?

Wie weiter in der Gesellschaft?
(Diskussionsbeitrag von H. H. in "Das Blättchen"-Forum, 16.2.11)
Das ist die Frage gleich von zwei Beiträgen in der Nummer 3/11des „Blättchens“. Dabei ist der von Rolf Reißig skizzierten Notwendigkeit eines Übergangs „zu einem sozialökologischen (energie- und ressourceneffizienten sowie umweltkonsistenten) und solidarischen Entwicklungspfad“ als Säulen einer  „Gesellschafts-Transformation im 21. Jahrhundert“ nicht zu widersprechen. Der aufgezeigte demokratische Konsens breiter gesellschaftlicher und politischer Akteurskoalitionen scheint aus heutiger und europäischer Sicht der wahrscheinliche Weg zu einer solchen „Solidarischen Teilhabegesellschaft“ zu sein. Aber bedeutete das am Schluss des Beitrags für unverzichtbar gehaltene „Transformationskonzept“ nicht doch den zuvor von Reißig zu Recht ausgeschlossenen fertigen Masterplan „für diese Große Transformation“?


Mir scheint es wichtiger zu sein, festzustellen, welcher Wandel in der gesellschaftlichen Ökonomik, im System, der von Reißig beschriebenen „Zäsur … Anfang/Mitte der 70er Jahre“ zu Grunde lag. Das war m. E. die 1971 von US-Präsident Nixon unter Bruch des Abkommens von Bretton Woods verordnete Abschaffung des Goldstandards des US-Dollars. Sie war die notwendige Folge der politischen und weltwirtschaftlichen Entwicklung seit dem Ende des zweiten Weltkriegs und stellte den Versuch dar, die grundlegenden Widersprüche des kapitalistischen Systems mit einem währungspolitischen Trick „innerhalb des Systems“ zu lösen, wenigstens zu entschärfen. Und sie bewirkte, dass mit der Abkopplung des Geldes von der begrenzten und begrenzenden Sache „Edelmetall“ alle Bremsen und Grenzen realer und vor allem fiktiver Kapitalverwertung beseitigt wurden und noch so wahnsinnigen Ideen von Bankern und Spekulanten freier Lauf gelassen wurde. Eben darum wurde ja ein solcher Akt bis zu seiner Verkündung von der gesamten wissenschaftlichen Ökonomenzunft für unmöglich gehalten.
Was aber bis heute wohl nur von wenigen begriffen wurde, ist, dass die von Präsident Nixon mit seiner auf Anraten von Paul Volcker (Banker und späterer Vorsitzender der US-Notenbank) getroffenen Entscheidung eine Revolutionierung des weltweiten Geld- und Finanzsystems und – politökonomisch (!) gesehen - auch der Produktionsverhältnisse, ja sogar der Eigentumsverhältnisse bedeutete. Denn das Geld vertritt nun nicht mehr eine bestimmte Ware (Gold), auf die es Anspruch gewährte. Bis 1971 tauschte man, wenn man mit seinem Geld eine Ware kaufte, indirekt das bei der amerikanischen Notenbank liegende Gold, welches von dieser Geldsumme vertreten wurde, gegen die andere, erworbene Ware ein. Die amerikanische Notenbank war Schuldner (von Gold) all derer, die US-Dollars (oder deren Gegenwert in anderen Währungen gemäß dem Abkommen von Bretton Woods) besaßen, wie umgekehrt jeder Besitzer von Geld (Dollar) mit seinem durch sein Geld verbrieften Anspruch Miteigentümer - ökonomisch (!) gesehen - des amerikanischen Goldes war. Seit 1971 aber hat jeder Besitzer mit seinem Geld (das zu einer ganz allgemeinen Quittung für geleistete Arbeit geworden ist) nur noch einen ganz allgemeinen Anspruch auf einen entsprechenden Teil der ganzen Vielfalt von Waren und Leistungen der Gesellschaft. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Geld, Finanzen, die gesamte Warenwelt, ja die Produktion und Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums überhaupt sind nicht mehr Privatsache, sondern öffentliche Angelegenheit, öffentliches, gesellschaftliches Gut (auch wieder im ökonomischen, noch nicht im juristischen Sinne). Ganz augenscheinlich wurde dies, als auf dem Höhepunkt der jüngsten Finanzkrise  Staaten weltweit mit Billionen Euros und Dollars öffentlicher Mittel Produktion und Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums am Laufen halten mussten.
Ein solches Verstehen des Wandels in der gesellschaftlichen Ökonomik seit den 70er Jahren scheint mir wichtig zu sein, um „heute konkrete Alternativen“, wie Reißig sie für notwendig hält, zu erkennen und wissenschaftlich zu begründen; auch um das von Ulrich Scharfenorth vorgestellte „Wirtschaftsmodell der Zukunft“ Christian Felbers politökonomisch zu untermauern. Auch ließen sich daraus Antworten auf die vom Rezensenten an Felber gerichteten „entscheidenden Fragen“ („Wie bricht Felber den Widerstand seiner Gegner? Wie trennt er die derzeitigen ‚Weltwagenlenker‘ von ihren Zügeln, sprich: von Macht und Vermögen? Kann es sein, dass er allein auf deren physische Vergänglichkeit und die strikte Durchsetzung seiner Erbrechtsreform setzt? “) ableiten. Ich würde sie zusammenfassen mit dem Hinweis darauf, dass es Aufgabe jeder Revolution ist, den politischen, juristischen und geistig-kulturellen Überbau einer Gesellschaft ihrer ökonomischen Basis anzupassen, um (heute) die ökonomischen Akteure von ihrem Wahn, als Private zu handeln, zu befreien und ihre Handlungsfreiheit auf das gesellschaftlich notwendige Maß zu reduzieren. Denn Privatsache ist der Sache nach nur noch die unmittelbare Sphäre des persönlichen Verbrauchs rechtmäßig erworbener Anteile am Reichtum der Gesellschaft.

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